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Die Fäden des Schicksals

Die Fäden des Schicksals

Titel: Die Fäden des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Bostwick
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schien ihn nicht zu entmutigen. Jedes Mal, wenn ich darauf beharrte, dass David zurückkommen würde, nickte er nur bedächtig und machte diese »Wir werden sehen«-Miene, was mich sehr irritierte.
    Anfangs schrieb David regelmäßig, dann wurden seine Briefe seltener. Manchmal, wenn ich wieder einmal wochenlang nichts von ihm gehört hatte, ärgerte ich mich und nahm mir vor, einen Schlussstrich unter die Sache zu ziehen und mein eigenes Leben zu führen. Doch wenn ich endlich so weit war, kam ein Brief voller Entschuldigungen, Erklärungen und den Liebesbeteuerungen, nach denen ich mich so gesehnt hatte. Und dann verzieh ich ihm wieder einmal.
    Gegen Ende des Studienjahres schrieb mir David, dass man ihn gebeten habe, noch ein Jahr länger in dem Studio zu bleiben. Es war, wie er sagte, eine Gelegenheit, die man sich nicht entgehen lassen durfte. Ich zerriss den Brief, setzte mich hin und schrieb David in aller Deutlichkeit, was ich von ihm und seinem Wortbruch hielt. Doch dann verließ mich der Mut. Ich warf den Brief fort und verfasste einen neuen, in dem ich David sagte, wie sehr ich mich für ihn freute und dass er sich um mich keine Sorgen zu machen brauchte. Ein wenig boshaft ließ ich einige Zeilen über meinen neuen Freund Woolley einfließen und erwähnte, wie gut wir uns amüsierten, wenn wir nach New York fuhren und uns George Feyer im Café Carlyle anhörten. Mit den Schilderungen meiner Erlebnisse mit Woolley, einem reichen, mächtigen Mann, der mich an elegante Orte ausführte, die David sich nie hätte leisten können, wollte ich David eifersüchtig machen, damit er es sich anders überlegte und nach Hause kam. Doch es funktionierte nicht. Er schrieb lediglich zurück, er sei froh, dass ich nicht so allein wäre.
    Und die ganze Zeit über machte Woolley mir weiter den Hof. An einem Samstagmorgen, wenige Wochen bevor David zurückkommen sollte, stand Woolley auf einmal vor unserer Tür, mit drei Dutzend gelber Rosen und einem Verlobungsring mit einem Drei-Karat-Diamanten. Vor den Augen von Mutter und Susan fiel er auf die Knie und bat mich abermals um meine Hand. Und wieder wies ich ihn ab. Ich war wirklich sauer auf ihn wegen der Vorstellung, die er mir da geliefert hatte, doch er wusste, dass sich, kaum hatte er den Rücken gekehrt, Mutter auf mich stürzen und mich bestürmen würde, es mir noch einmal zu überlegen.
    »Hast du den Verstand verloren, Abigail?«, kreischte sie. »Da lässt du die Chance deines Lebens sausen, nur auf die vage Hoffnung hin, dass David diesmal nicht davonläuft und dich sitzen lässt, wenn es ihm in den Sinn kommt. Du kannst diesem Mann nicht trauen, Abbie! Ich weiß, wovon ich rede. Auf dieser Welt kannst du niemandem vertrauen. Sogar diejenigen, die behaupten, dich zu lieben, verraten dich. Aber Dinge wie Sicherheit, eine gesellschaftliche Stellung, Geld auf der Bank – das kann dir keiner nehmen.«
    »Mutter, ich liebe Woolley Wynne nicht, und ich werde ihn nicht heiraten!«
    »Liebe«, knurrte sie. »Was bringt einem die schon ein außer einem gebrochenen Herzen? Du bist doch wohl das dümmste, egoistischste Mädchen auf Gottes Erdboden. Hast du dir jemals überlegt, was es für mich und Susan bedeuten würde, wenn du Woolley nimmst? Denk jetzt nicht an mich, obwohl ich mir seit Jahren die Finger krumm arbeite, um diese Familie durchzubringen. Aber denk mal an Susan. Sie könnte auf ein gutes College gehen und bekäme damit die Chance ihres Lebens! Aber nein, alles, woran du denken kannst, bist du selbst. Du und dein nichtsnutziger David.« Sie warf entrüstet die Arme hoch. »Erspar dir viel Kummer und hör auf mich, Abigail. David liebt dich nicht. Wenn er es täte, hätte er schon vor langer Zeit um deine Hand angehalten.«
    Das war wahrscheinlich eine der wenigen intelligenten Äußerungen, die meine Mutter jemals von sich gegeben hatte, doch auf mich machte sie keinen Eindruck. Für mich zählte nur, dass David wieder nach Hause kam und dass dann irgendwie alles wieder gut werden würde. Und eine Zeit lang ging es auch gut.
    David kam im Juni in die Staaten zurück, gerade rechtzeitig für Susans Abschlussfeier an der Highschool. Von seinem Stipendium war kein Cent mehr übrig, daher bat ich Mutter, ihn für eine Weile bei uns wohnen zu lassen, bis ich im Museum genug verdient hätte, um für uns eine Wohnung in der Stadt zu mieten. Mutter erklärte sich, wenn auch widerstrebend, einverstanden. Während sie David früher, als er noch in ihrer Gunst stand,

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