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Die Fäden des Schicksals

Die Fäden des Schicksals

Titel: Die Fäden des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Bostwick
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kleines Mädchen auf Vater gewartet hatte. Auch Mutter konnte ihn gut leiden. Selbst wenn sie mal wieder schlechte Laune hatte, gelang es David, ihr ein Lächeln zu entlocken.
    Ich verriet meiner Mutter natürlich nie, dass David und ich zusammenlebten, aber sie konnte es sich wahrscheinlich denken. Eines Sonntagmorgens, als David und Susan draußen im Garten Erdbeeren fürs Frühstück pflückten, schickte sich Mutter, peinlich berührt, an, mich über die »Tatsachen des Lebens« aufzuklären. Lachend versicherte ich ihr, dass es nicht nötig war, weil ich alles in dieser Hinsicht Wissenswerte bereits wusste. Mutter wirkte erleichtert, und damit hatte es sich.
    Doch vielleicht hätte ich sie doch anhören sollen, denn gegen Ende meines Studiums an der New Yorker Uni stellte ich fest, dass ich schwanger war. Ich war entsetzt. Als ich endlich den Mut aufbrachte, es David zu erzählen, flehte ich ihn unter Tränen an, mich nicht zu verlassen. Zuerst war er wie vor den Kopf geschlagen, doch er fing sich rasch und nahm mich in die Arme.
    »Ist schon gut, Abbie. Mach dir keine Sorgen, Baby. Es wird alles gut.«
    Da begann ich, noch stärker zu schluchzen, diesmal vor Erleichterung. Alles würde wieder gut. David war mir nicht böse. Ich war schwanger, und er sagte mir, es wird alles gut! Für einen kurzen Augenblick löste sich der Druck, der auf meiner Brust lastete, und wich überschäumender Freude – ich erwartete ein Kind von David!
    Doch die Freude war nur von kurzer Dauer.
    »Keine Angst«, flüsterte David, während er mich in den Armen hielt. »Es kommt alles in Ordnung. Ein Freund von mir kennt einen Arzt, der wird sich darum kümmern. Niemand braucht es zu erfahren. Es wird alles gut gehen. Ich bleibe die ganze Zeit über bei dir.«
    Und ich tat, was er verlangte. Obwohl ich das Kind wollte. Obwohl ich wusste, dass es falsch war. Ich tat, was David verlangte, weil ich wusste, dass er mich verlassen würde, wenn ich das Baby bekam. Und ein Leben ohne David war für mich undenkbar. Also tat ich es. Spätabends, nach Ende der Sprechstunde, fuhr David mich zu der Praxis des Arztes, und ich stieg die Treppe zu einem kalten, weißen Behandlungszimmer hinauf und ließ eine illegale Abtreibung vornehmen.
    Das habe ich noch nie jemandem erzählt. Frag mich nicht, warum ich es tat, denn darauf weiß ich keine schlüssige Antwort. Ich suche auch nicht nach einer Entschuldigung, denn dafür gibt es keine. Doch du sollst wissen, dass du mich gar nicht so sehr verurteilen kannst, wie ich mich selbst verurteile. Ich habe es an jedem einzelnen Tag meines Lebens bereut.
    An jenem Abend stützte mich David, als ich, schwach und mit schrecklichen Schmerzen, langsam die Treppe hinunterging. Er half mir in den Kombi und fuhr mich nach Hause. Der Arzt hatte gesagt, in ein, zwei Tagen wäre ich wieder auf dem Damm, aber mein Körper brauchte viel länger, um gesund zu werden. Danach konnte ich nie wieder schwanger werden. Meine Seele brauchte für die Heilung noch viel länger. Wochen wurden zu Monaten, und noch immer war ich traurig und deprimiert. Manchmal musste ich grundlos weinen, aber von alldem erfuhr David natürlich nichts. Ich wusste nur zu gut, dass er zwei Dinge nicht ertragen konnte, und das waren Selbstmitleid und Verpflichtungen. Also belästigte ich ihn nicht damit. Trotz allem, was geschehen war, konnte ich den Gedanken, ihn zu verlieren, noch immer nicht ertragen.
    Doch letzten Endes spielte das alles keine Rolle.
    Eines Tages kam David nach Hause und teilte mir mit, dass er ein Stipendium für ein Bildhauereistudium in Rom bekommen hatte. Zuerst war ich ganz aufgeregt, weil ich dachte, er würde mich mitnehmen, doch bald wurde mir klar, dass er allein fahren wollte. Es sei nur ein kleines Stipendium, erklärte er, nicht genug für uns beide, und Rom sei teuer. Außerdem würde er in einem kleinen, dreckigen Loch hausen, das ich verabscheuen würde. Ich sagte, dass es mir nichts ausmachen würde und ich mir einen Job suchen und etwas dazuverdienen konnte, aber er ließ sich nicht erweichen. Er wollte allein nach Rom.
    »Es ist doch nur für ein Jahr, Baby. Dann bin ich wieder da. Warum ziehst du nicht für eine Weile nach Connecticut zu deiner Mutter und Schwester? Du weißt doch, wie sehr Susan dich vermisst. Überleg doch mal, wie schön es wäre, wenn du mehr Zeit mit ihr verbringen könntest. Gerade jetzt. Bald geht sie aufs College, und dann hast du nie wieder die Gelegenheit dazu.« Er beugte sich vor und

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