Die Fäden des Schicksals
sie es möchte. Geh wieder in die Küche und richte es ihm aus. Und wenn es ihm nicht passt, kann er ja …« Bei der Aussicht, zwischen seinem temperamentvollen, erbosten Chef und einem ebensolchen Koch vermitteln zu müssen, blickte der junge Mann, der nicht viel älter als zwanzig sein konnte, entsetzt drein. Da seufzte Charlie; seine Wut war verraucht.
»Lass nur. Ich rede schon mit Maurice. Aber wenn du es in der Gastronomie jemals zu etwas bringen willst, Jason, dann musst du entschieden mehr Rückgrat entwickeln. Bring der Dame hier ein Ginger Ale. Und ein Glas Chardonnay aufs Haus. Sie kann es gebrauchen; sie ist nämlich dabei, sich selbstständig zu machen.«
Mit zusammengebissenen Zähnen und stählernem Blick marschierte er davon, um sich mit dem Herrscher der Küche ein Gefecht zu liefern.
In Windeseile war Jason wieder da und balancierte vorsichtig zwei Gläser auf seinem Serviertablett. »Ach, das ist doch nicht nötig«, sagte ich und deutete auf den Wein. »Ich glaube, er hat nur Spaß gemacht.«
»Mag sein«, sagte der Kellner und stellte beide Gläser vor mich auf den Tisch. »Aber man kann nie genau sagen, ob Charlie es ernst meint oder nicht. Im Augenblick hat er keine gute Laune, da will ich lieber nichts riskieren.«
»Ist er ein schwieriger Arbeitgeber?«
»Eigentlich nicht. Sicher, er verlangt viel von uns, aber auch nicht mehr als von sich selbst. Als ich anfing, hier zu arbeiten, hatte ich Angst vor ihm, aber ich habe eine Menge von ihm gelernt. Seine Familie drüben in Irland betreibt seit mehreren Generationen Restaurants. Maurice ist zwar der Koch, doch wenn Charlie nicht so sehr mit der Leitung des Restaurants beschäftigt wäre, könnte er sich gut selbst an den Herd stellen. Er und Maurice stellen die Speisekarte immer gemeinsam zusammen.«
Grinsend setzte Jason hinzu: »Wissen Sie, eines Tages möchte ich mein eigenes Restaurant aufmachen. Nichts Großartiges wie das hier. Eher einen gepflegten Imbiss oder so. Ich schätze, wenn ich noch ein paar Jahre für Charlie arbeite, kann ich genug, um einen Versuch zu starten.«
»Weiß er, was Sie vorhaben?, fragte ich und nippte an meinem Ginger Ale. »Viele Gastronomen würden wahrscheinlich niemanden beschäftigen, der ihnen in ein, zwei Jahren Konkurrenz macht.«
Über diese Vorstellung musste Jason lachen. »Eine Konkurrenz für den Grill? Ich? Das ist eher unwahrscheinlich, aber Charlie kennt meine Pläne. Ich habe ihm gleich beim Vorstellungsgespräch davon erzählt, und er hat mich trotzdem eingestellt. Seitdem hilft er mir, wo er kann. Er erklärt mir alles, was mit dem Geschäft zusammenhängt, und setzt mich in verschiedenen Bereichen des Restaurants ein, damit ich lerne, was es heißt, ein eigenes Lokal zu führen. Im Grunde seines Herzens ist Charlie ein guter Kerl; er wirkt nur auf den ersten Blick ein bisschen streng.«
»Jason!«
Der junge Kellner und ich zuckten zusammen, als Charlie wie aus dem Nichts auftauchte. »Stehst du hier etwa die ganze Zeit herum und schwatzt?«
»Nein, Charlie … Ich habe die Getränke gebracht, wie du es gesagt hast.«
»Dein Glück! Aber habe ich dir vielleicht auch gesagt, du sollst hier herumlungern, während die Gäste an Tisch sechsundzwanzig verdursten, weil du ihre Wassergläser nicht nachgefüllt hast? Ab mit dir, Junge!«
Jason machte sich eilig davon.
»Sie haben Ihren Wein ja noch gar nicht angerührt«, bemerkte Charlie stirnrunzelnd und forderte mich auf: »Los, probieren Sie doch mal!«
Das tat ich dann auch. Er schmeckte köstlich; sein Aroma erinnerte an altes Eichenholz und schwarze Johannisbeeren und weckte die Vorstellung von geheimnisvollen unterirdischen Höhlen.
»Wunderbar! Er ist bestimmt teuer.«
Charlie schüttelte den Kopf. »Keineswegs. Das ist unser Haus-Chardonnay aus Frankreich. Für seine Qualität ist er ausgesprochen günstig. Die meisten Leute glauben, einheimische Weine wären preiswerter, aber in den letzten Jahren sind die Preise für kalifornische Weine unverhältnismäßig gestiegen. Man findet viele europäische Weine von besserer Qualität, wenn man sich auskennt. Natürlich haben wir für Kunden, die danach fragen, auch Weine für zwei- oder dreihundert Dollar die Flasche auf Lager, doch im Großen und Ganzen ist alles auf unserer Weinkarte durchaus erschwinglich. Man muss eben die Wünsche seiner Kunden kennen. Das gilt für jedes Gewerbe«, fügte er hinzu.
»Da haben Sie recht«, seufzte ich. »Was Quilter in Texas wünschen, weiß
Weitere Kostenlose Bücher