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Die Fäden des Schicksals

Die Fäden des Schicksals

Titel: Die Fäden des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Bostwick
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sagte er über die Schulter gewandt, während er ging, um nach dem Rechten zu sehen, »könnten sie sich alle ja auch irren. Essen Sie Ihre Ente.«
    Lächelnd nahm ich Messer und Gabel zur Hand, schnitt ein Stückchen Fleisch ab und steckte es mir in den Mund.
    Charlie hatte recht gehabt: Mir kamen ebenfalls die Tränen. Ich hatte einen Freund gefunden.

7
    Abigail Burgess Wynne
    Endlich brachte uns Jason, einer der neueren Kellner des Grills, die Vorspeisen.
    »Asiatischer Krabbensalat für Mr Spaulding«, sagte er und stellte die Teller ab. »Und für Sie den Lachs, Mrs Wynne. Es tut mir leid, dass es etwas länger gedauert hat.« Der arme Junge wirkte mitgenommen.
    »Ist schon gut, Jason. Wir haben ja nicht lange gewartet.« Mit einem verschwörerischen Lächeln legte ich ihm kurz die Hand auf den Arm. »Ich habe gesehen, wie Charlie wutentbrannt in die Küche gestapft ist. Lassen Sie mich raten – Maurice wollte meinen Lachs nicht verkohlen lassen.«
    Jason lächelte wortlos.
    »Eine sehr diplomatische Antwort«, lachte ich. »Sagen Sie Maurice, dass ich den Fisch köstlich fand, absolut perfekt, und dass ich ihn für ein Genie halte und allen meinen Freunden empfehlen werde, den Lachs genau so zu bestellen. Darüber wird er sich tüchtig ärgern, glauben Sie nicht auch?«
    Abermals gab der junge Kellner keine Antwort, doch es klang aufrichtig, als er uns einen guten Appetit wünschte, bevor er in die Küche ging.
    »Siehst du, Abigail, das habe ich gemeint«, sagte Franklin, während er mit der Gabel die gewürfelten Schalotten aus seinem Salat pickte. Ich habe nie verstanden, warum er den Salat nicht einfach ohne Zwiebeln bestellt, aber so ist Franklin nun einmal. Er möchte auf keinen Fall irgendjemandem Umstände machen, und außerdem sagt er, er würde langsamer essen, wenn er die Zwiebelwürfel herauspicken muss.
    »Du kannst so gut mit Menschen umgehen, selbst mit so jungen Leuten wie dem Kellner. Als er an unseren Tisch kam, fürchtete er, wir würden uns beschweren, weil wir so lange warten mussten, doch nach ein paar freundlichen Worten von dir war er beruhigt. Wenn du willst, kannst du jeden für dich gewinnen. Warum gelingt dir das bei Liza nicht?«
    »Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob du zu einem Kellner freundlich bist oder zu einem Bankkassierer oder auch zu deinem Tennispartner – zu Leuten, die du nur hin und wieder siehst – oder zu einem ungebetenen Gast, genauer gesagt einer Kriminellen, die ihre Strafe in deinem Gästezimmer absitzt.« Als ich meinen Lachs anschnitt, krachte die knusprige schwarze Kruste verheißungsvoll.
    »Sei nicht ungerecht, Abigail. Im Grunde ist Liza doch gar keine Kriminelle.« Franklin hob die Hand, um meinem Einwand zuvorzukommen. »Ich weiß, ich weiß. Sie hat einen Pullover mitgenommen, ohne ihn zu bezahlen, aber es ist doch nicht so, als müsstest du einen Schwerverbrecher unter deinem Dach beherbergen; sie ist bloß ein einsames, ratloses Mädchen, das um Hilfe ruft.«
    Ich verdrehte die Augen. »Franklin, bitte. Verschone mich mit diesem Psychologenquatsch. Sie ist eine erwachsene Frau von neunzehn Jahren und kein bedauernswertes, unverstandenes Kind. Und deshalb sollte sie für das, was sie tut, auch geradestehen.« Er wollte etwas sagen, doch dieses Mal ließ ich ihn nicht zu Wort kommen.
    »Du bist zu weichherzig, Franklin. Für dich ist sie ein verletzliches Waisenkind, aber da irrst du dich. Ich sage dir, dieses Mädchen ist alles andere als verletzlich. Dickköpfig trifft die Sache wohl eher!«
    »Ach, komm schon, Abigail. So schlimm kann sie doch nicht sein.«
    »Nein? Sie ist unmöglich, Franklin. Einfach unmöglich! Sie ist mürrisch, pampig und egozentrisch. Sie steht nicht vor Mittag auf, geht erst um drei Uhr nachts ins Bett und versteckt sich den ganzen Tag über in ihrem Zimmer, wo sie entweder diesem Geschepper lauscht, das sie als Musik bezeichnet, oder sich ihrer sogenannten Kunst widmet. Soweit ich sehen kann, waren die drei Semester an der Kunsthochschule eine komplette Zeit- und Geldverschwendung. Sie kleistert die Leinwand mit Farbklecksen, Stücken von Bindfaden oder Draht oder was weiß ich zu. ›Fundstücke‹ nennt sie die Bilder – in Künstlerkreisen offenbar ein anderes Wort für Müll. Lächerlich! Ich bin als Kunstmäzenin bekannt. Zugegeben, moderne Kunst sagt mir nicht sonderlich zu, aber ich habe durchaus Sinn dafür. Das muss jeder zugeben. Wie viel habe ich letztes Jahr dem Geltzmer-Museum gespendet?

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