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Die Fäden des Schicksals

Die Fäden des Schicksals

Titel: Die Fäden des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Bostwick
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Lederstiefel und um die Taille einen ausgefallenen Hanfgürtel mit Silberverzierungen trug. Schick. Vielleicht hätte ich doch die Seidenbluse anziehen sollen.
    »Da sind Sie ja!«, rief sie. Es schien, als würde sie sich ehrlich freuen, mich zu sehen. »Kommen Sie rein!«
    Auf dem mit einem weißen Tischtuch bedeckten Esstisch stand ein Strauß Gerbera. Kerzen verbreiteten ein warmes Licht und einen zarten Vanilleduft, der durch den verführerischen Geruch nach gebratenem Geflügel nicht völlig überdeckt wurde. Ich war immer der Meinung gewesen, dass Evelyn ihre Wohnung, an deren unverputzten Backsteinwänden die vielen schönen Quiltbehänge gut zur Geltung kamen, mit geschmackvoller Schlichtheit eingerichtet hatte. Jetzt, im Kerzenschimmer, wirkte sie geradezu elegant. Margot kam auf mich zu und reichte mir ein Glas Cabernet.
    »Bitte sehr. Charlie sagte, dass Sie nur Roten trinken.«
    »Da hat Charlie recht«, erwiderte ich und sog einen Augenblick lang das Aroma von Eiche und frisch aufgeworfener Erde ein, das aus dem Glas aufstieg, bevor ich einen Schluck nahm. »Sehr schön. Was gibt’s denn? Ich dachte, wir hätten eine Sitzung.«
    Margot zuckte die Achseln. Offensichtlich wusste sie auch nicht mehr als ich.
    »Das haben wir auch«, antwortete Evelyn. »Allerdings eine andere Art von Sitzung. Aber zuerst essen wir mal etwas Leckeres. Ich wollte ein bisschen von dem gutmachen, was Sie für mich getan haben.« Sie nippte ebenfalls an ihrem Wein. »Außerdem wollte ich uns Gelegenheit geben, über etwas anderes als meine Krankheit oder das Geschäft zu reden und uns ein bisschen besser kennenzulernen. Den ganzen Herbst über haben wir jeden Freitagabend miteinander verbracht, und doch kenne ich keine von Ihnen richtig.«
    Ich musste mich beherrschen, um nicht die Augen zu verdrehen. Die Idee mit dem Essen war gut, eine nette Geste, aber das Letzte, in das ich hineingezogen werden wollte, war eine von diesen sentimental-vertraulichen Frauenrunden. Man hatte mich bereits gezwungen, Evelyn während ihrer Krankheit zu helfen. War das nicht genug? Musste sie auch noch meine beste Freundin werden? Evelyn hatte recht; sie kannte mich nicht. Denn sonst hätte sie gewusst, dass ich keine beste Freundin hatte und auch keine wollte.
    Evelyn griff sich ein Paar Topflappen und nahm Platten mit Speisen aus dem Backofen. »Margot, könnten Sie bitte den Salat aus dem Kühlschrank holen?«
    Liza kam aus dem Badezimmer und sah mich. »Oh, gut, da bist du ja.« Das Wort »endlich« hing unausgesprochen in der Luft, aber ich achtete nicht weiter darauf. Da wandte sie sich an Evelyn. »Haben Sie es ihnen schon gesagt?«
    »Was denn – ein großes Geheimnis?«, fragte Margot.
    »Später, nach dem Essen«, erklärte Evelyn.
    Das Essen war köstlich. Nach dem Salat servierte Evelyn das Brathühnchen aus dem Grill mit einer Sauce aus angedicktem Bratensaft, Kartoffelpüree mit Knoblauch und gedünstetem Gemüse. Es war ein reichhaltigeres Mahl, als ich gewohnt war, doch an diesem kalten Winterabend war es genau das Richtige. Von den Anstrengungen des Tages erschöpft und unter dem Einfluss von zwei Gläsern Rotwein beschloss ich, für diesen einen Abend meine Diät zu unterbrechen.
    Doch trotz des guten Essens und der angenehmen Umgebung konnte ich mich noch immer nicht mit der erzwungenen Vertraulichkeit anfreunden. Sollten die anderen doch Seelenstriptease machen, wenn sie wollten; ich würde mich jedenfalls aufs Zuhören beschränken.
    Immerhin war es interessant, ein bisschen mehr über die anderen Frauen zu erfahren. Evelyn erzählte eine amüsante Geschichte, wie sie sich als kleines Mädchen, ganz fasziniert von den vielen Regenbogenfarben, in der Handtuchabteilung eines J.-C.-Penney-Marktes versteckt hatte.
    Ich erfuhr, dass Margot an derselben Universität wie mein Mann, dem Hamilton College, studiert hatte, aber ich mochte nicht fragen, ob es gemeinsame Bekannte gab. Sie hatte ihren Abschluss ohnehin mehrere Jahrzehnte nach Woolley gemacht. Margot stellte mir ein paar Fragen über Woolley, wie wir uns kennengelernt und verliebt hatten und so weiter, doch ich gab nur einsilbige Antworten und verriet lediglich, dass wir uns zum ersten Mal in einem Museum begegnet waren.
    Es ist eine merkwürdige Sitte heutzutage, derart persönliche Fragen zu stellen. Als ich jung war, gab es das noch nicht. Das kommt alles bloß von diesen Psychologiesendungen im Fernsehen. Wenn sich sogar Leute bereitfanden, in einer landesweit

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