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Die Fäden des Schicksals

Die Fäden des Schicksals

Titel: Die Fäden des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Bostwick
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ausgestrahlten Sendung jedes unappetitliche Detail ihrer Vergangenheit preiszugeben, dann war es wohl völlig normal, beim Abendessen persönliche Fragen zu stellen. Ich finde es jedoch nach wie vor äußerst unhöflich und bin nicht der Auffassung, dass die Welt durch diese allgemeine Neigung zur Offenherzigkeit besser geworden ist, im Gegenteil. Es kommt mir so vor, als nehme alle Welt an einem Zwölf-Punkte-Programm teil – Punkt eins: »Gib zu, dass du ein Problem hast«. Das sehe ich anders. Für mich lautet der erste Punkt: »Das Leben ist hart, und wir müssen uns durchbeißen.« Wie Daddy schon sagte: »Kein Gejammer, keine Rechtfertigungen.« Diese Lebenseinstellung ist nicht sehr populär, aber ich bin immer gut damit gefahren. Da werde ich sie jetzt nicht über Bord werfen.
    Außerdem habe ich festgestellt, dass man gar nicht viele Fragen zu stellen braucht, damit die Leute alles, was man wissen will, und noch mehr über sich erzählen. Normalerweise reicht eine Frage, begleitet von einem eindringlichen, interessierten Blick, völlig aus. Dann braucht man sich nur noch zurückzulehnen und zuzuhören. Probieren Sie es einmal selbst aus, und Sie werden staunen, was Sie alles zu hören bekommen. Es funktioniert fast immer, nur eben nicht bei mir. Was meine Angelegenheiten betrifft, halte ich mich, wie gesagt, bedeckt.
    Während Margot und ich den Tisch abräumten und das Geschirr spülten, kochte Liza eine Kanne koffeinfreien Kaffee, und Evelyn trug den Nachtisch auf, einen hohen Schokoladenkuchen mit zerkleinerten Pfefferminzbonbons in der Füllung und als Verzierung obendrauf gestreut. Sie hatte ihn selbst gebacken, und er sah sehr verführerisch aus, doch ich brachte keinen Bissen mehr herunter, und mein Hosenbund spannte schon. Also trank ich lediglich eine Tasse Kaffee, während sich die anderen über den Kuchen hermachten und sich dabei weiter unterhielten. Auf Evelyns Drängen hin erzählte Liza noch mehr über ihr Interesse an Kunst und davon, wie sie als Neunjährige zusammen mit ihrer Mutter die Wand in ihrem Zimmer bemalt hatte. Damals hatte sie sich entschlossen, später Künstlerin zu werden. Angesichts ihrer Herkunft war ihre künstlerische Ader nicht überraschend. Auch Susan hatte früh ein Talent für Malerei gezeigt. Soweit ich mich erinnerte, waren einige ihrer Landschaftsbilder recht gut gewesen.
    Als das Gespräch ein wenig verebbte, fragte Margot: »Ich hoffe, die Frage ist dir nicht unangenehm, Liza, aber woran litt deine Mutter? Ich weiß, dass sie letztes Jahr starb, aber …«
    Ich wusste, dass Liza die Frage durchaus unangenehm war. Kurz nachdem wir Evelyn kennengelernt hatten, hatte sie mich nachdrücklich ermahnt, Margot oder Evelyn gegenüber nichts von Susans Brustkrebs zu erwähnen. Als Susans Erkrankung bekannt wurde, hatten ihr alle möglichen Leute ihre Krebsgeschichten erzählt. Die meisten der Geschichten waren ermutigend, manche jedoch auch traurig, ja sogar erschreckend. Also wirklich! Warum dachten die Leute nicht nach, bevor sie losplapperten?
    »Du erzählst nichts über Mutter!«, hatte Liza mir befohlen. Als ob ich auf eine derartige Idee käme! Wieder einmal ärgerte ich mich darüber, was für eine schlechte Meinung Liza von mir hatte.
    Margots Frage hing im Raum. Um Zeit zu gewinnen, trank Liza langsam einen großen Schluck Kaffee und überlegte dabei, wie sie sich um eine klare Antwort drücken konnte.
    Ich versuchte es mit einem Ablenkungsmanöver.
    »Evelyn, Sie sagten doch, Sie hätten einen Sohn. Wo lebt er?« Während ich unserer Gastgeberin zulächelte, bemerkte ich aus dem Augenwinkel, wie erleichtert meine Nichte wirkte.
    »Garrett wohnt in Seattle. Er ging auf das Harvey Mudd College und machte seinen Abschluss in Informatik. Jetzt arbeitet er als Programmierer für eine große Firma. Es ist eine gute Stelle, zumindest ist sie gut bezahlt. Aber mir scheint, er muss ununterbrochen arbeiten. Ich rufe ihn schon gar nicht mehr zu Hause an, weil er immer wegen irgendeines Notfalls im Büro ist. Als ich am letzten Wochenende mit ihm telefonierte, sagte er im Scherz, er würde am liebsten seine Wohnung aufgeben und im Pausenraum der Firma oder einer Abstellkammer sein Lager aufschlagen. Zumindest glaube ich, dass es nur ein Scherz war«, lächelte sie.
    »Es ist doch gut, dass Sie ihn zu einem so fleißigen Menschen erzogen haben. Kommt er Sie bald einmal besuchen?«
    Evelyn schüttelte den Kopf. »Nein, er ist zu sehr mit seiner Arbeit beschäftigt, und

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