Die Fäden des Schicksals
war, holte das Besteck aus der Schublade und machte sich daran, den Tisch zu decken. Als Kind war das immer seine Aufgabe gewesen. Wir hatten so viele gute Gespräche geführt, während ich kochte und er sich um den Rest kümmerte. Ich lächelte vor mich hin, als ich daran dachte, wie leicht wir unseren alten Ton wiedergefunden hatten. Ich war so froh, dass er da war.
»Das sah mir aber nicht danach aus«, widersprach er. »Hast du denn nicht gemerkt, wie er dich ansieht? Selbst wenn er mit jemand anderem redet, lässt er dich nicht aus den Augen. Der Mann ist doch bis über beide Ohren in dich verknallt.«
Ich spürte, wie ich rot wurde, während ich die Eier in die Rührschüssel schlug. »Sei nicht albern. Ich sage dir doch, wir sind bloß befreundet. Da wir beide ein Geschäft besitzen, haben wir viel gemeinsam. Das ist alles.« Charlie war nett zu mir gewesen, ein wunderbarer Freund in jeder Hinsicht, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass er mehr als das für mich sein wollte. Ehrlich gesagt konnte ich mir das gerade jetzt von keinem Mann vorstellen.
»Wirklich, Garrett, es ist nichts als Freundschaft.«
Garrett zuckte mit den Schultern. »Wie du meinst.« Er legte die beiden Messer hin und daneben zwei Löffel. »Aber ich weiß nicht, warum dich das so überrascht, Mom. Du bist doch eine schöne Frau.« Er grinste. »Ich meine, für dein Alter und so.«
»Oh, herzlichen Dank.« Ich warf eine rote Weihnachtsserviette nach ihm, doch sie verfehlte sein Gesicht und landete auf dem Tisch. »Du bist auch gar nicht mal übel, zumindest für einen Computerfreak und so.«
Als der Tisch gedeckt war, holte ich die gefüllten Servierteller. Es gab nichts Besonderes, nur Rührei, Grapefruitspalten und rote Weintrauben, mit Minzeblättchen dekoriert, dazu Orangensaft, Kaffee und ein paar Bananenmuffins. Es reichte bei Weitem nicht an das Weihnachtsfrühstück heran, das ich aufzutischen pflegte, als Garrett noch klein war. Aber da ich wusste, dass Charlie zum Essen sein berühmtes Entenconfit mitbringen wollte, und ich außer den Beilagen noch zwei Desserts, meine Schoko-Minz-Sahnetorte und einen Pekannusskuchen vorbereitet hatte, sollte das Frühstück nicht zu üppig ausfallen. Doch mit dem Gesteck aus Tanne und Stechpalme, meinem guten Geschirr und den Stoffservietten wirkte der Tisch trotzdem sehr hübsch.
»Das sieht ja toll aus, Mom!«, rief Garrett, als ich die Teller hinstellte. »Oh, warte mal, das hätte ich fast vergessen!« Er rannte in mein Schlafzimmer, wo sein Gepäck stand, und kam mit einer Halbliterflasche Sekt zurück.
»Jetzt kann’s losgehen.« Er entfernte das Stanniolpapier und lockerte den Korken. »Er ist warm, aber wir können ihn ja mit dem kalten Orangensaft mischen.«
Ich lachte. »Na, das ist ja eine Überraschung! Wann hattest du denn Zeit, Sekt zu besorgen?«
»Ich sage dir doch, Mom, die Damen lieben mich. Katherine, die Erste Flugbegleiterin, hat mir das hier in die Tasche gesteckt.«
»Tatsächlich? War sie hübsch? Hat sie dir ihre Telefonnummer gegeben?« Mir wäre es zwar lieber gewesen, er hätte eine Freundin gefunden, die nicht so viel unterwegs war, doch unter den gegebenen Umständen war ich bereit, Zugeständnisse zu machen. Außerdem musste sie eine intelligente, ehrgeizige junge Frau sein, wenn sie schon Erste Flugbegleiterin war.
»Hübsch? Na klar! Sie hatte einen grauen Dutt und eine tolle Lesebrille.« Er stieß einen Pfiff aus und lachte. »Mom, sie war ungefähr sechzig und hatte einen Sohn, der älter war als ich. Ich stand bei der Bordküche herum, um mir die Beine zu vertreten, und als sie hörte, dass ich auf dem Weg nach Hause war, um meine Mutter zu überraschen, gab sie mir das hier.«
»Oh«, sagte ich ein wenig enttäuscht. »Das war sehr nett von ihr.«
Nachdem Garrett die Flasche mit einiger Mühe entkorkt hatte, goss er etwas von dem schäumenden Sekt in unseren Orangensaft, und wir ließen uns zum Essen nieder.
»Verglichen mit früher ist das ja ein ziemlich karges Frühstück, aber ich wollte nicht, dass du dir vor dem Essen den Magen vollschlägst. Charlies Ente ist einfach nicht von dieser Welt«, erklärte ich und häufte etwas Rührei auf Garretts Teller. »Ich hoffe, du hast nichts dagegen, dass Charlie mit uns isst. Ich hatte ihn schon eingeladen, bevor ich wusste, dass du kommst.«
Garrett nahm die Gabel zur Hand und schüttelte den Kopf. »Nein. Scheint doch ein prima Kerl zu sein. Einen Mann, der eine Ente zubereiten kann, muss
Weitere Kostenlose Bücher