Die Fäden des Schicksals
und als Margot den Kopf schüttelte, setzte sie hinzu: »Wieso nicht? Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass jemand dich nicht mag.«
Margot lächelte. »Lieb von dir, Liza, aber man kann eben nicht mit allen zurechtkommen. Und es ist ja auch nicht so, dass wir uns nicht vertragen, nur … Ich weiß auch nicht, woran es liegt, aber schon seit wir Kinder waren, konnte ich es meiner Schwester nie recht machen. Trotzdem ist sie immer noch meine Schwester, und ich liebe sie.« Margot zuckte die Achseln. »Ich mag sie vielleicht nicht immer, aber ich liebe sie. So ist das eben in einer Familie.«
Liza zögerte kurz, dann sagte sie lakonisch: »Das habe ich mir auch sagen lassen. Aber aus eigener Erfahrung kenne ich es nicht.«
Sie schoss einen letzten eisigen Blick in meine Richtung, bevor sie sich auf dem Absatz umdrehte und davonging. Mit gebeugten Schultern stapfte sie durch das Gässchen und versuchte ihren Abgang durch hartes, zorniges Aufstampfen dramatischer zu gestalten. Doch der Schnee dämpfte das Geräusch ihrer Gummisohlen zu einem sanften »Umpf, Umpf«. Dennoch war ihre Botschaft klar und deutlich. Ihre Schritte verklangen, doch noch immer spürte ich ihre stumme Anklage. Widerstrebend sagte ich Margot Gute Nacht, wünschte ihr Frohe Weihnachten und folgte Liza, die gerade die Straße zu unserem Haus überquerte. Am Ende des Gässchens blieb ich einen Augenblick auf dem Gehsteig stehen und überlegte, was ich tun sollte. Vielleicht sollte ich ihr nachgehen und sie fragen, worüber sie sich derart ärgerte. Dann konnten wir es vielleicht aus der Welt schaffen und ein friedliches Fest miteinander verbringen.
Seit Woolleys Tod hatte ich Weihnachten nicht mehr mit meiner Familie gefeiert. Selbstverständlich konnte ich mir die Einladungen zum Weihnachtsessen aussuchen. Manche nahm ich an, doch die meisten sagte ich ab. Ich blieb lieber zu Hause. Es war ziemlich lästig – man musste Geschenke für eine Menge Leute kaufen, die man kaum kannte, und sich Gedanken machen, was man anziehen sollte. Mir kam es immer so vor, als würde ich mich verkleiden und in einem Theaterstück über das Weihnachtsfest mitspielen. Weihnachten, wie ich es mir vorstellte, das waren der Gang durch die verschneiten Straßen zur Kirche und der Mitternachtsgottesdienst im Schimmer zahlloser Kerzen. Am nächsten Morgen dann ging man gleich nach dem Aufstehen die Treppe hinunter, tauschte mit seinen Lieben Geschenke aus und schlenderte in die Küche, um ein Häppchen der köstlich duftenden Leckereien zu stibitzen. Dann spielten alle Gesellschaftsspiele vor dem Kamin, sangen, vom Klavier begleitet, Weihnachtslieder oder vertrieben sich einfach die Zeit bis zum Essen, für das sich alle um den Tisch versammelten, um sich nach einem kurzen Gebet unter Reden und Lachen den Bauch vollzuschlagen. Warm und geborgen, während draußen vor dem Fenster Schneetreiben herrschte und die Schatten länger wurden.
So sollte Weihnachten sein, dachte ich bitter. Aber irgendwie war es noch nie so gewesen. Nicht einmal, als Woolley noch lebte. Nie mehr, seit ich ein Kind gewesen war und das Weihnachtsfest mit Mutter und Vater und Susan verbracht hatte …
Ein jäher Windstoß fuhr durch die Straße und wirbelte mir den Schnee ins Gesicht, sodass ich die Augen vor der beißenden Kälte schließen musste. Liza marschierte jetzt über den Dorfanger auf das Haus zu.
Bibbernd blickte ich auf die Uhr, bevor ich mich nach links wandte und eilig den Weg zum Restaurant einschlug.
Karen Dillard konnte es nicht ausstehen, wenn ihre Gäste zu spät kamen.
23
Evelyn Dixon
Obwohl Garretts Besuch überraschend gekommen war, gelang es mir, ein wenig Weihnachtsstimmung zu schaffen. Dabei kam mir der Quiltladen sehr gelegen. Dort fand ich noch zwei gequiltete Weihnachtsstrümpfe, die aus einem meiner Kurse übrig geblieben waren. Ich hängte sie an den Kamin, und Garrett und ich spielten Weihnachtsmann und steckten unsere Geschenke hinein.
Die Auswahl der Geschenke war improvisiert, aber sehr einfallsreich, wie wir lachend feststellten, als wir am Weihnachtsmorgen neben dem Weihnachtsbaum auf dem Fußboden saßen und die Strümpfe ausleerten.
Ich hatte meine Wohnung durchforstet und war auf diverse Dinge gestoßen, die ich Garrett schenken konnte: eine Apfelsine, ein Päckchen Kaugummi, eine Schachtel Streichhölzer aus dem Grill, ein Stück Seife, eine zellophanverpackte Zahnbürste, die ich im Krankenhaus bekommen hatte, und ein noch fast unbenutztes
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