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Die Fährte

Die Fährte

Titel: Die Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Stoff zum Normalpreis leisten und mich für eine Weile verlassen konnte.
    Aber dann rief ich sie eines Abends im Mai an. Ich hatte gerade drei Monate für ein paar Kleinigkeiten abgesessen, und Anna und ich hatten lange nicht miteinander gesprochen. Ich sagte, wir müssten feiern, dass ich den saubersten Stoff der Welt bekommen hätte direkt aus der Fabrik in Chang Rai. Ich habe ihr sofort angehört, dass etwas nicht stimmte. Sie sagte, sie sei fertig damit. Ich fragte nach, ob sie den Stoff oder mich meinte, und sie antwortete »beides«. Sie habe nämlich mit diesem Kunstwerk begonnen, das ihr Durchbruch werden sollte, und das verlange ihre ganze Aufmerksamkeit. Wie du weißt, war Anna eine starrköpfige Zigeunerin, wenn sie sich erst etwas in den Kopf gesetzt hatte, weshalb ich mir auch verflucht sicher bin, dass ihr bei der Obduktion nicht die Spur von Dope in ihren Adern gefunden habt. Richtig? Und dann hat sie mir von diesem Typ erzählt. Arne Albu. Dass sie schon eine ganze Weile zusammen seien und Pläne schmiedeten, zusammenzuziehen. Er müsse erst noch ein paar Sachen mit seiner Frau klären. Das hast du auch schon mal gehört, Harry, nicht wahr? Nun, ich auch. Ist es nicht merkwürdig, wie klar man denken kann, wenn die Welt um einen herum zusammenbricht? Ich wusste schon, was ich tun musste, ehe ich den Hörer auflegte. Rache. Primitiv? Ganz und gar nicht. Rache ist der Reflex des denkenden Menschen, eine komplexe Symbiose aus Handlung und Konsequenz, zu der keine andere Tierart in der Lage ist. Rache hat sich evolutionsmäßig als so effektiv erwiesen, dass nur die rachsüchtigsten von uns überlebt haben. Rache oder Tod. Das hört sich wie der Titel eines Western an, meinetwegen, aber vergiss nicht, dass es die Logik der Vergeltung ist, die dem Rechtsstaat zugrunde liegt. Das klare Versprechen, Auge um Auge, dass der Sünder in der Hölle schmoren muss oder mindestens am Galgen baumeln wird. Die Rache ist der Grundpfeiler der Zivilisation, Harry.
    Deshalb setzte ich mich noch am gleichen Abend hin und begann, meinen Plan auszuarbeiten. Ich habe ihn einfach gestaltet.
    Über Trioving bestellte ich einen Schlüssel für Annas Wohnung. Wie, werde ich dir nicht verraten. Nachdem du ihre Wohnung verlassen hattest, bin ich hineingegangen. Anna war bereits im Bett. Sie, ich und eine Beretta M92 hatten ein langes, informatives Gespräch. Ich bat sie, etwas herauszusuchen, das etwas mit Arne Albu zu tun hatte, eine Karte, ein Brief, eine Visitenkarte, egal was. Die Idee war, das neben sie zu legen, um euch zu helfen, den Mord mit Arne Albu in Verbindung zu bringen. Doch das Einzige, was sie hatte, war ein Bild von seiner Familie bei ihrer Hütte, das sie aus einem Fotoalbum genommen hatte. Mir war klar, dass das vielleicht zu rätselhaft wäre und dass ihr einen weiteren Fingerzeig brauchen würdet. So kam ich auf eine Idee. Frau Beretta überredete sie, mir zu erzählen, wie man in die Hütte kam, die Sache mit dem Schlüssel in der Lampe.
    Nachdem ich sie erschossen hatte – etwas, das ich nicht im Detail schildern werde, da es eine Enttäuschung war (sie zeigte weder Furcht noch Reue) – , versteckte ich das Bild in ihrem Schuh und fuhr schnurstracks nach Larkollen. Dort legte ich wie du inzwischen sicher vermutest – den Reserveschlüssel für Annas Wohnung in die Hütte. Erst hatte ich vor, ihn im Innern des Toilettenspülkastens festzukleben – das ist so etwas wie mein Lieblingsort, dort versteckte Michael die Pistole in › Der Pate‹. Aber du hättest bestimmt nicht genug Fantasie gehabt, dort zu suchen, außerdem hätte es keinen Sinn gehabt. Also legte ich ihn in die Nachttischschublade. Einfach, nicht wahr?
    Damit war die Bühne klar, und du und die anderen Marionetten konnten kommen. Ich hoffe übrigens, dass du nicht beleidigt bist, dass ich dir ein wenig den Weg gewiesen habe, das intellektuelle Niveau von euch Typen bei der Polizei ist nicht gerade überwältigend. Hoch, meine ich. Jetzt möchte ich mich verabschieden. Ich bedanke mich für die Gesellschaft und die Hilfe, es war mir eine große Freude, mit dir zusammenzuarbeiten, Harry.
    C#MN
     

 
     
     

    Kapitel 34 – Pluvianus aegyptius
     
    Ein Polizeiwagen stand direkt vor dem Eingang des Hauses und ein weiterer sperrte die Sofies Gate an der Einmündung in die Dovregata ab.
    Tom Waaler hatte angeordnet, weder Blaulicht noch Sirenen zu nutzen.
    Über seinen Sprechfunk überprüfte er, ob alle auf ihren Plätzen waren, und bekam

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