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Die Fährte

Die Fährte

Titel: Die Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Blickwinkel beachtet! Er macht das wirklich gut, das muss man ihm lassen.«
    Der Junge hinter dem Tresen gab dem Mann im Overall ein Vanilleteilchen und nahm dann die Zehnkronenstücke, die der Mann auf den Tresen gelegt hatte.
    »He!«, rief Harry.
    »Richtig«, sagte Beate. »Er trägt keine Handschuhe. Aber es sieht nicht so aus, als hätte er irgendetwas in diesem Laden berührt. Und da siehst du dieses helle Viereck, von dem ich gesprochen habe.«
    Harry sah nichts.
    Der Mann verließ den Laden, als der Letzte der Schlange bedient wurde.
    »Hm. Wir sollten noch einmal nach Zeugen suchen«, sagte Harry und erhob sich.
    »Ich wäre nicht zu optimistisch«, sagte Beate, den Blick noch immer auf die Leinwand geheftet. »Denk dran, dass sich nur ein einziger Zeuge gemeldet hat, der gesehen hat, wie der Exekutor durch den Stoßverkehr am Freitagnachmittag geflohen ist. Menschenmengen sind das beste Versteck für Bankräuber.«
    »Gut, aber hast du einen anderen Vorschlag?«
    »Dass du dich wieder hinsetzt. Du verpasst sonst das Beste.«
    Harry sah sie reichlich überrascht an und wandte sich wieder dem Bildschirm zu. Der Junge hinter dem Tresen hatte sich in Richtung Kamera gedreht und seinen Finger tief in die Nase gegraben.
    »Das Beste, das Beste«, brummte Harry.
    »Achte auf den Container vor dem Fenster.«
    Es war eine Spiegelung auf der Scheibe, aber der Mann in dem schwarzen Overall war gut zu erkennen. Er stand vor dem Laden auf dem Bürgersteig, zwischen einem geparkten Wagen und dem Container. Der Rücken war zur Kamera gewandt und er hatte eine Hand auf den Container gelegt. Es sah aus, als spähe er zur Bank hinüber, während er das Teilchen aß. Die Tasche hatte er auf den Asphalt gestellt.
    »Das ist sein Aussichtsposten«, sagte Beate. »Er bestellte den Container und bekam ihn genau dorthin geliefert. Das ist genial einfach. Von dort kann er genau sehen, wann der Geldtransporter kommt, ohne von den Überwachungskameras der Bank eingefangen zu werden. Und achte auf die Art, wie er steht. Die Hälfte der Passanten sieht ihn allein schon wegen des Containers nicht. Und diejenigen, die ihn sehen, sehen einen Mann mit Overall und Mütze neben einem Container, einen städtischen Arbeiter, einen Angestellten eines Umzugsunternehmens, jemanden, der irgendwo eine Renovierung macht. Kurz gesagt, niemand, der einem im Gedächtnis bleibt. Kein Wunder, dass wir keine Zeugen gefunden haben.«
    »Er macht ein paar fette Fingerabdrücke auf den Container«, sagte Harry. »Blöd, dass es die ganze letzte Woche geregnet hat.«
    »Aber das Vanilleteilchen …«
    »Da isst er seine Fingerabdrücke auf«, seufzte Harry.
    »… macht ihn durstig. Jetzt pass auf.«
    Der Mann beugte sich hinunter, öffnete den Reißverschluss seiner Tasche und zog eine weiße Plastiktüte heraus, aus der er eine Flasche holte.
    »Coca-Cola«, flüsterte Beate. »Ich habe das in einem Standbild hochgezoomt, bevor du gekommen bist. Es ist eine Glasflasche mit einem Weinkorken.«
    Der Mann in dem Overall packte die Flasche oben am Hals und zog den Korken heraus. Dann legte er den Kopf in den Nacken und setzte die Flasche an die Lippen. Sie konnten sehen, wie die Flüssigkeit aus dem Flaschenhals rann, doch die Mütze verdeckte Mund und Gesicht. Dann steckte er die Flasche zurück in die Tüte, verknotete sie und wollte sie wieder in seine Tasche schieben, als er plötzlich innehielt.
    »Pass auf, jetzt denkt er nach«, flüsterte Beate und sagte leise: »Wie viel Platz braucht das Geld, wie viel Platz braucht das Geld?«
    Die Hauptperson starrte in die Tasche. Dann auf den Container. Dann fasste er einen Entschluss und in einem hohen Bogen segelte die Tüte mit der Flasche in den offenen Container.
    »Dreipunktewurf!«, brüllte Harry.
    »Heimsieg!«, heulte Beate.
     
    »Scheiße!«, rief Harry.
    »O nein«, stöhnte Beate und stieß verzweifelt mit der Stirn gegen das Lenkrad.
    »Die müssen gerade hier gewesen sein«, sagte Harry. »Warte!«
    Er stieß die Autotür unmittelbar vor einem Fahrradfahrer auf, der nur mit Mühe ausweichen konnte, rannte über die Straße und stürzte in den 7-Eleven und an die Kasse.
    »Wann haben die den Container geholt?«, fragte er den Jungen, der gerade zwei Big-Size-Würstchen für zwei ebensolche Mädchen fertig machte.
    »Warten Sie, bis Sie an der Reihe sind«, sagte der Junge, ohne aufzublicken.
    Einem der Mädchen entwich ein beleidigtes Seufzen, als Harry sich vorbeugte, den Zugang zur Ketchupflasche

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