Die Fahrt des Leviathan
ließ. Seine persönliche Motivation, des Mörders habhaft zu werden, ging den Geheimpolizisten nichts an. Er brach abrupt ab und sagte schneidend: »Wenn sonst nichts ist, werde ich jetzt gehen.«
»Nein, das war schon alles. Ich danke Ihnen, dass Sie sich hierher bemüht haben, Herr Major.« Kolowrath schickte sich an aufzustehen, um Pfeyfer zur Haustür zu geleiten.
Doch der Major bedeutete ihm, Platz zu behalten und meinte eisig: »Ich finde allein hinaus. Besten Dank.«
Mit diesen Worten machte er kehrt, verließ ohne jedes weitere Wort den Salon und zog die Tür hinter sich fester als nötig zu.
Überaus zufrieden mit dem Verlauf des Gesprächs lehnte Kolowrath sich zurück und widmete sich wieder der Zigarre. Die Rolle des preußischen Geheimpolizisten Krüger gefiel ihm ausnehmend. Noch keinen der vielen Charaktere, in die er bei seinen zahlreichen Aufträgen schon geschlüpft war, hatte er mit so beinahe vergnüglicher Leichtigkeit verkörpert.
Er entzündete die Havanna mit einem Streichholz und paffte genüsslich.
27. November
»Eine höchst vernünftige Zusammenstellung«, befand Kolowrath, nachdem er die Liste durchgegangen war.
»Finden Sie?«, meinte Beaulieu skeptisch. »Dass Lee gute Gewehre, Feldgeschütze und Munition wünscht, hatte ich erwartet. Aber welchen Wert er auf die Schuhe legt, finde ich befremdlich unangemessen. Sich um solche Nebensächlichkeiten zu kümmern, ist unter seiner Würde.«
Kolowrath faltete den Papierbogen wieder zusammen und schob ihn zurück in den unbeschrifteten Umschlag. »Für einen wahren Feldherrn ist kein Aspekt zu unbedeutend. Geringschätzung für die weniger heroischen Erfordernisse des Krieges hat schon so manchen allzu hochmütigen Heerführer zu Fall gebracht«, merkte er an.
Beaulieu s Miene blieb abschätzig, doch zog er es vor, dieses Thema nicht weiter zu erörtern. Stattdessen erkundigte er sich, ob Österreich denn überhaupt in der Lage war, den umfangreichen Wünschen General Lees zu entsprechen.
Durch ein schlichtes Hochziehen der rechten Augenbraue deutete Kolowrath an, dass jegliche Zweifel in dieser Hinsicht lächerlich waren. »Seien Sie unbesorgt. Wir werden schon dafür sorgen, dass die Konföderation mit der bestausgestatteten Armee dieses Kontinents ins Feld zieht«, versprach er selbstbewusst.
Der Oberst trat an den großen Vitrinenschrank, öffnete eine der mit geschliffenen Blumenranken dekorierten Glastüren und begutachtete die Kollektion an Weinflaschen, ohne seine Ausführungen zu unterbrechen: »Ich habe überdies die nötigen Arrangements getroffen, damit die Truppe für den Handstreich hier in Friedrichsburg ausgerüstet werden kann. Mr. Weaver sorgt bereits dafür, dass wir die nötige Zahl enthusiastischer Kämpfer haben werden. Des Weiteren ist zur Stunde Mr. Levi unterwegs, um eine nach seinem Ermessen geeignete Liegenschaft für die Ausbildung der Männer zu erwerben.«
Mit einer kurzen Handbewegung wischte Beaulieu einige kaum wahrnehmbare Körnchen Straßenstaub vom Ärmel seines weißen Anzugs. »Mr. Levi ist für uns von unschätzbarem Wert. Ich bedaure zutiefst, ihn nach dem Sieg beseitigen zu müssen. Aber ich kann einen Mann, der sein Vaterland verraten hat, nicht als Mitwisser dulden.«
»In der Tat undenkbar«, stimmte Kolowrath zu, wählte eine der Flaschen aus und präsentierte sie mit Kennergestus seinem Gast. »Ebenso undenkbar wie beispielsweise die Ernennung eines Juden zum Colonel der Konföderierten Armee.«
Ein verschwörerhaftes schiefes Lächeln erschien auf Beaulieu s Mundwinkeln. »Ich sehe, wir verstehen uns, Oberst Kolowrath.«
»Oh ja«, sagte der Österreicher zuvorkommend. »Wir verstehen uns.«
* * *
Levi ließ sein Pferd in gemächlicher Gangart durch das hohe Gras trotten. Scharfäugig rekognoszierte er das Terrain und gab dabei acht, durch sein Verhalten trotz Zivilkleidung nicht als Offizier erkennbar zu sein. Alles hier entsprach, soweit er sehen konnte, ganz seinen Vorstellungen. Es gab sowohl offenes Gelände, auf dem sich vortrefflich exerzieren und Waffendrill abhalten ließ, als auch die alten Gesindeunterkünfte, Scheunen und Stallungen, die unweit des verlassenen Herrenhauses ein Geviert um einen von Unkraut überwucherten großen Platz bildeten. Sie boten nicht nur Obdach für die hundertzwanzig Mann, die sich bald hier einfinden würden; an ihnen ließ sich auch ideal das Besetzen und Verteidigen von Gebäuden üben.
Der allergrößte Vorteil des Gutes
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