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Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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Konföderierten.«
    »Sie müssen einschreiten, Herr Major!«, forderte die Direktorin ihn mit Nachdruck auf.
    »Ausnahmsweise sind wir in diesem Falle derselben Ansicht, Fräulein Heinrich«, stellte Pfeyfer fest. »Waffen an die Südstaaten zu verkaufen ist leider nicht verboten. Aber sie heimlich einzuführen, stellt ein ernstes Vergehen dar. Das wird den Behörden hinreichend Grund geben, die Richmond-Handelsgesellschaft zu eliminieren. Mir ist es nur recht, wenn dieser Vorposten der Konföderation endlich verschwindet.«
    Amalie betrachtete mit fasziniertem Abscheu die Gewehre. Verwundert fragte sie: »Denken Sie, Herr Healey weiß von alledem?«
    »Ganz gewiss nicht«, antwortete Rebekka fest überzeugt. »Der Unglückliche hat mir doch geklagt, dass dieser Charles Beaulieu ihn neuerdings von allem fernhält und ihm ausdrücklich den Zutritt hier untersagt hat. Jetzt sehen wir ja, weshalb.«
    Major Pfeyfer verteilte das Stroh gleichmäßig über den Gewehren, wuchtete den Deckel zurück an seinen Platz und trieb mit einigen schweren Schlägen des Brecheisens die Nägel wieder in ihre Löcher. »Die Südstaaten werden weder diese noch künftige Waffenlieferungen erhalten«, verkündete er dabei, während jeder seiner Schläge so fest war, als wollte er damit weit mehr als nur Nägel treffen. »Zu dieser Stunde stehen keine Schutzmänner zur Verfügung. Aber gleich morgen früh rücke ich mit zwanzig Mann hier an und lasse alles sicherstellen.«
    Er legte das Brecheisen fort, nahm den achtlos liegengelassenen Degen an sich und führte ihn wieder in die Scheide. »Nehmen Sie die Petroleumflasche und kommen Sie, wir wollen gehen«, forderte er die Frauen auf.
    Er schien zu spüren, dass seine Anordnung eher bittend denn befehlend klang, und versuchte, ihr durch eine unmissverständliche Handbewegung in Richtung der Tür mehr Festigkeit zu verleihen. Die Geste überzeugte ihn nicht recht, aber immerhin gingen Rebekka und Amalie widerspruchslos mit ihm.
     
    Mit einem hohlen Klacken rastete der Riegel ein, als die Direktorin den Schlüssel im Schloss herumdrehte. Das Lagerhaus war wieder sicher vor Eindringlingen.
    »Einen Einbruch zu inszenieren, um den Verdacht auf einen fiktiven Unbekannten zu lenken, war äußerst geschickt. Sie haben mich damit getäuscht«, gab Pfeyfer zu und streckte die Hand aus, um den Schlüssel von Rebekka entgegenzunehmen.
    Doch Amalie kam ihm mit einem flinken Griff zuvor und brachte den Schlüssel an sich. »Den legen wir zurück zu Herrn Healeys Besitztümern, als wäre nichts geschehen«, machte sie dem Offizier klar und gab ihm zu verstehen, dass Healeys Vorgesetzte in Richmond sonst zu der Auffassung gelangen könnten, er habe leichtfertig oder sogar mit voller Absicht Fremden Einlass ins Lagerhaus gewährt.
    Rebekka stellte sich sogleich auf Amalies Seite und pflichtete der Lehrerin vorbehaltlos bei: »Das ist wahr. Herrn Healey könnten ernstliche Ungelegenheiten erwarten. Daher werden Sie, Herr Major« – sie richtete den Zeigefinger auf Pfeyfer –, »dafür sorgen, dass man ihm nichts von dem, was morgen geschieht, anlasten kann.«
    »Schon recht, schon recht«, kapitulierte Pfeyfer vor den Forderungen der Frauen. »Er soll unseretwegen keine Scherereien bekommen. Wenn ich morgen die Durchsuchung anordne, werde ich behaupten, dem Hinweis eines anonymen Informanten aus dem Hafen zu folgen. Keiner von uns war heute Nacht hier. Stellt Sie das zufrieden?«
    Rebekka ließ sich den Vorschlag des Majors rasch durch den Kopf gehen und klopfte ihn auf mögliche verborgene Stolpersteine ab. Doch weder sie noch Amalie fanden etwas auszusetzen. »Voll und ganz«, stimmte sie zu. »Wir sind Ihnen für dieses Entgegenkommen zu Dank verpflichtet.«
    »Wenn keiner von uns an diesem Ort war, gebietet die Logik, dass ich Sie auch nicht als den gesuchten Brandstifter namhaft machen kann«, führte Pfeyfer die Überlegung folgerichtig weiter; das Unbehagen darüber, so massiv gegen seine Dienstpflicht zu verstoßen, stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    »Da ist noch etwas«, sprach er gleich weiter, ehe eine der Frauen sich äußern konnte. »Ich habe längst verstanden, dass Sie sich von mir keine Vorschriften erteilen lassen, Fräulein Heinrich. Lassen Sie es mich daher anders versuchen. Bis jetzt hatten Sie stets großes Glück und blieben unentdeckt, wenn Sie nachts Baumwolle verbrannten. Aber dieses Glück kann Sie unerwartet verlassen.« Er stockte kurz und musste zweimal schlucken, bevor er

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