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Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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mit großer Eindringlichkeit weiterreden konnte: »Ich bitte Sie inständig – nein, ich beknie Sie, von nun an keine Feuer mehr zu legen.«
    »So groß ist Ihre Sorge um die Reputation des Kronprinzen, dass Sie sich sogar durchringen, mich beinahe flehentlich um etwas zu bitten?«, wunderte sich Rebekka.
    Auf eine Weise, die sie nie zuvor an ihm erlebt hatte, war Major Pfeyfer um Worte verlegen, als wäre ihm peinlich, was er auszudrücken versuchte. »Das ist der eine Grund«, meinte er. »Der andere … sehen Sie, indem ich zum Mitwisser wurde, erhielt ich auch Mitverantwortung. Wenn Sie nun bei ihrem nächsten nächtlichen Anschlag von einer Kugel niedergestreckt würden oder sonst wie zu Schaden kämen, könnte ich mir das nie vergeben. Versprechen Sie mir in Gottes Namen, damit aufzuhören.«
    »Sie bringen es fertig, mich zu überraschen«, entgegnete Rebekka halblaut und seltsam angerührt von Pfeyfers Besorgnis um ihr Wohlergehen. »Ja, ich verspreche es Ihnen.«
    Der Major atmete auf. Selbst im milchigen Licht der Straßenlaterne war unübersehbar, wie seine Miene sich entspannte.
    Die drei Schläge einer nahen Kirchturmuhr erinnerten sie daran, dass es Zeit wurde aufzubrechen. Rebekka bot ihm an, ihn mit ihrem Einspänner mitzunehmen, den sie eine Straße weiter abgestellt hatte. Doch er lehnte ab. Um mit seinem revoltierenden Gewissen ein wenig ins Reine zu kommen, kam ihm ein Fußmarsch in der frischen Nachtluft gerade recht. Pfeyfer nahm Abschied von den beiden Frauen und machte sich auf den Weg.
     
    Bald hatte er die heruntergekommene Gegend des Alten Hafens hinter sich gelassen und ging die gut beleuchtete Mohrenstraße entlang. Viele Dinge schwirrten ihm im Kopf umher. Er versuchte angestrengt, Ordnung in die verwirrenden Ereignisse dieser Nacht zu bringen. Zu viel war geschehen, das er wenige Stunden zuvor noch für undenkbar gehalten hatte. Auf einmal sah er am Straßenrand neben einer Gaslaterne eine einsam auf späte Fahrgäste wartende Droschke. Der offenbar schlafende Kutscher, dessen Kopf nach vorne gesunken war, hatte den Kragen seines Mantels hochgeschlagen und den Zylinder tief ins Gesicht gezogen.
    Und da kam Pfeyfer eine Idee. Hatte der unangenehme Geheimpolizist Krüger ihm nicht eingeschärft, jederzeit sogleich Mitteilung über alle Vorgänge von Bedeutung zu machen? Er würde ihn beim Wort nehmen. Eine bessere Gelegenheit, Krüger gehörig zu ärgern, konnte er sich gar nicht wünschen.
    Pfeyfer zog Notizbuch und Bleistift aus der Manteltasche und schrieb schnell in simpler Standardchiffre eine kurze Nachricht nieder, in der er Krüger wissen ließ, dass er von einem Gewährsmann über heimlich eingeführte Gewehre in Kenntnis gesetzt worden sei und beabsichtige, das Lagerhaus der Richmond-Handelsgesellschaft gleich am folgenden Tag durchsuchen zu lassen. Darunter setzte er in seinen ehrerbietigsten Gruß.
    Noch einmal überflog er die wenigen Zeilen, trennte das Blatt heraus und faltete es zweimal. Daraufhin ging er hinüber an die Droschke und weckte den Kutscher. Er überreichte dem verschlafen dreinblickenden Mann das Papier und nannte ihm die Adresse in Schönhöhe mit der ausdrücklichen Anweisung, dem Hausherrn die Nachricht persönlich auszuhändigen. Um dem Kutscher den rechten Antrieb zu verleihen, drückte er ihm fünf Groschen in die Hand, wodurch sich alle Müdigkeit auf der Stelle verflüchtigte.
    Pfeyfer nahm die Dankesbekundungen mit einem knappen Nicken entgegen und verfolgte noch, wie der Kutscher die Peitsche schnalzen ließ und die Droschke unter hallendem Hufklappern die Allee hinabrollte. Dann setzte er seinen Heimweg fort, erfreut über die Vorstellung, wie Krüger wohl schlaftrunken die für ihn nutzlose Mitteilung entgegennehmen würde.
     
    * * *
     
    Im Schlafrock stand Kolowrath in der Eingangstür seines Hauses und las die chiffrierte Nachricht.
    »Unfassbar«, murmelte er wie vor den Kopf geschlagen.
    »Wie bitte, der Herr?«, erkundigte sich der Kutscher, der immer noch auf sein Trinkgeld wartete.
    Kolowrath reagierte nicht. Er musste sich ganz schnell etwas einfallen lassen. Im Leben hätte er nicht damit gerechnet, dass dieser Major Pfeyfer sein Vorhaben durchkreuzen könnte. Wenn er nicht verhindern wollte, dass ein Desaster seine Pläne zunichtemachte, galt es sofort zu handeln.
    Ich muss zu
Beaulieu . Sofort!,
beschloss Kolowrath.
    »Sie warten hier, während ich mich rasch ankleide!«, wies er den Kutscher an. »Drei Thaler, wenn sie mich noch

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