Die Fahrt des Leviathan
Noch während Pfeyfer sich gleichfalls setzte, konnte sie ihre Neugier nicht länger zügeln.
»Herr Major, die ganze Stadt schwirrt vor Gerüchten über diese Explosion am Alten Hafen heute Vormittag. Und man erzählt sich, Sie hätten etwas damit zu tun.«
»Dann ist ausnahmsweise zutreffend, was so die Runde macht«, entgegnete Pfeyfer, wobei er die Tassen mit Kaffee aus dem Kännchen füllte.
»Mein Teuerster, es ist nicht höflich, mich derart im Ungewissen zu lassen. Spannen Sie mich freundlicherweise nicht so auf die Folter. Was ist nun wirklich geschehen?«
»Eigentlich ist es mir nicht gestattet, über dienstliche Obliegenheiten zu sprechen«, meinte der Major zögerlich. Aber dann vergegenwärtigte er sich, dass die Direktorin sich kaum zufriedengeben würde, ehe ihre Wissbegierde nicht gestillt war. Ihm war nicht danach, den Abend mit aufreibenden Ausweichmanövern gegen ihre Fragen zu verbringen.
Er setzte die Kaffeekanne ab und seufzte resigniert. »Schön. Da ohnehin morgen früh die offizielle Verlautbarung in den Zeitungen zu lesen sein wird, spricht wenig dagegen, Ihnen den Vorfall jetzt schon darzulegen.«
Rebekka beugte sich interessiert ein wenig vor. »Ich bin ganz Ohr. Was ist also passiert?«
»Durch einen Hinweis fand ich heraus, dass eine Bande einen Anschlag zu verüben plante. Fast wäre ich zu spät gekommen, doch durch schnelles Handeln gelang es mir, dieses Vorhaben im letzten Moment zu verhindern.«
»Eine Bande?«, stutzte Rebekka. »Um was für Leute handelte es sich dabei?«
»Ich konnte im Nachhinein eruieren, dass es sieben Amerikaner waren, irische Einwanderer. Leider sind sie bei der Explosion allesamt ums Leben gekommen, so dass wir vielleicht niemals in Erfahrung bringen können, welche Beweggründe sie zu diesem Anschlag bewogen.«
»Und worauf?«, hakte die Direktorin ungeduldig nach.
Pfeyfer runzelte irritiert die Stirn. »Ich fürchte, ich verstehe nicht.«
»Sie haben noch mit keinem Wort erwähnt, welches Ziel sich diese Amerikaner auserkoren hatten. Worauf wollten sie denn hier in Friedrichsburg einen Anschlag verüben?«
»Ah, natürlich! Vergeben Sie mir. Ein spektakuläreres Ziel ließe sich schwerlich denken. Die Männer hatten vorgehabt, die
Great Eastern
durch Feuer zu zerstören«, eröffnete Pfeyfer freimütig.
Entgeistert starrte die Direktorin ihn an. »Sagen Sie mir, dass das nicht wahr ist!«
»Ich – ich weiß nicht, was Sie meinen«, erwiderte der Major verunsichert.
»Sie haben die Vernichtung des Schiffs
verhindert?«
Rebekkas bohrende Stimme wurde unvermittelt zittrig, so als stünde sie kurz davor, von anstürmenden Emotionen übermannt zu werden.
»Nun … also, sehen Sie … ja. So ist es.«
Rebekka sprang auf und schrie. Der gellende Schrei brach tief aus ihrem Inneren hervor, ein von hilflosem Zorn aufgeladener Orkan.
Vor Schrecken wusste Pfeyfer zunächst nicht, was er tun sollte. Dann fuhr er aus dem Sessel empor und fasste Rebekka an den Schultern. »Um Gottes willen, was ist los? Sagen Sie mir, was ist mit Ihnen?«
Die Direktorin packte ihn aufgebracht am Uniformrock. »Das wissen Sie nicht?«, schleuderte sie ihm heiser ins Gesicht, wobei sich ihre Stimme vor Wut überschlug. »Wenn dieses verfluchte Schiff nach Europa fährt, dann kann das den Krieg entscheiden! Egal, ob es nun Korn oder Waffen holt. Vielleicht siegt der Süden dadurch! Dann haben Sie dafür gesorgt, dass Millionen für immer Sklaven bleiben! Sie … Sie verdammter …«
Ihre Stimme begann zu versagen. Sie ließ Pfeyfer los und versuchte noch, einige kaum verständliche Worte mit fahrigen Gesten zu untermalen. Dann verließ sie die Kraft. Sie sackte in den Sessel zurück und verbarg haltlos schluchzend das Gesicht in den Händen.
Pfeyfer war verstört, wusste aber, dass er irgendetwas unternehmen musste. Er lief hinüber in die Küche, riss einen der Schränke auf und nahm die erstbeste der reichlich vorhandenen, doch bis dato unangetasteten Cognacflaschen an sich. Aus einer Schublade griff er noch eilig einen Korkenzieher und rannte dann in den Salon zurück.
Hastig entkorkte er die Flasche, schüttete den Inhalt einer Kaffeetasse in den Kamin und füllte sie stattdessen mit Cognac. »Ich bitte Sie, trinken Sie das. Es wird Sie ein wenig beruhigen«, beschwor er Rebekka.
Die Direktorin blickte auf. Ihre Augen waren gerötet, die Wangen überströmt von Tränen. Sie versuchte etwas zu sagen, nahm dann jedoch wortlos die Tasse und stürzte den Cognac
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