Die Fahrt nach Feuerland
hockte er auf der Sitzbank, unbeweglich, als sei er eine geschnitzte Figur. Losskow blickte sich auf dem Boot um. Alles war in Ordnung.
»Was war denn das für ein Bums?« fragte er.
Jeder andere Mensch wäre bei der unerwarteten Anrede zusammengeschreckt. Trosky veränderte seine Haltung nicht, starrte weiter in die Wellen und antwortete mit seiner tiefen Stimme: »Wir haben einen Delphin gerammt. Das heißt, er hat uns gerammt!«
»Unmöglich!«
»Wieso ist das unmöglich?«
»Der Delphin ist das klügste Tier, fast so intelligent wie ein Mensch! Ein Delphin schwimmt neben einem Boot her, aber er rammt es nicht! Warum auch?«
»Vielleicht war es ein Weibchen, und ich war ihr Typ?«
Losskow kam näher. Und da sah er, daß neben Trosky eine Holzstange mit einem geschärften Eisenhaken lag. Das Holz war naß – es mußte gerade aus dem Wasser gezogen worden sein.
»Aha! So ist das!« sagte Losskow wütend.
»Was ist?«
»Du hast mit diesem Mistding nach den harmlosen Delphinen geschlagen! Mit einem geschliffenen Stahlhaken! Das ist doch eine Riesensauerei!«
»Ich habe das Werkzeug nicht an Bord gebracht!«
»Du weißt genau, daß wir so etwas zur Abwehr von Haien brauchen!«
»Mein Gott, ich habe mich geirrt!« Trosky schob seine Wollmütze tiefer in die Stirn. »Taucht da aus dem Meer neben mir etwas auf. Ich sehe nur Flosse, etwas Glänzendes, es hebt sich backbord aus der See … Da habe ich eben zugestochen! Konnte ja ein Hai sein! Hinterher war's aber nur ein Delphin! Sorry, Sir.«
»Hälst du mich eigentlich für so dämlich, daß ich dich für so dämlich halte?« fragte Losskow wütend.
»Das ist eine Frage, auf die ich nicht ehrlich antworten kann!« Trosky rieb sich mit beiden Händen die nackte Brust und dehnte sich. Seine Muskeln traten prall hervor. »Ich mußte etwas tun, großer Boß! Irgend etwas Zerstörerisches! Ich mußte ganz einfach vernichten! Das Boot zusammenschlagen, kann ich ja nicht gut. Da kam mir der Delphin genau im richtigen Augenblick. Du verstehst das nicht, was?«
»Nein!«
»Wie auch?! Was würdest du tun, wenn ein Weib sich so vor dir hinflegelt, daß du nur draufzuspringen brauchst? Und wenn du's versuchst, lacht sie dich aus! Du würdest zerknirscht sein und einen Choral singen, nicht wahr? Ich nicht! Ich muß dann etwas zerstören! Ich muß etwas zum Austoben haben! Ich muß vernichten! – Ist dir das jetzt klar?!«
»Vielleicht!« sagte Losskow zögernd. »Mir wird noch einiges klarwerden müssen.«
»Welch ein Theater um einen dusseligen Delphin!«
Losskow ging unter Deck. Helena war wach, lag aber noch auf der Bank. Zu ihren Füßen wedelte Mr. Plump müde mit dem Schwanz und glotzte Losskow vorwurfsvoll an.
»Was war das für ein Lärm da oben?« fragte sie. »Sucht Trosky wieder Streit?!«
»Wo ist Luzi?«
»In ihrer Koje.«
»Du hast nicht gehört, daß sie nachts an Deck war?«
»Nein. Ich habe geschlafen wie ein Sack!« Sie richtete sich auf. Losskow sah ihre Brüste, sie schlief unter der Decke nackt, wie immer; die Wärme in der Kajüte ließ nichts anderes zu. Wäre ich jetzt Trosky und hätte seine Mentalität, würde ich über sie herfallen, dachte er. Und es wäre mir völlig egal, ob die anderen zuschauen!
»Was war da oben los, Peer?«
»Ich weiß es nicht. Trosky redet wie ein Halbirrer! Nach seinen Reden zu schließen, muß Luzi in der Nacht bei ihm gewesen sein und ihn bis aufs Blut gereizt haben. Dann ist sie weggerannt und hat Trosky in einer völlig konfusen Verfassung zurückgelassen. Aus Rache hat er dann versucht, einen harmlosen Delphin abzustechen.«
»Und das regt dich nun wieder auf?« Ihre Stimme war kühl wie immer. Die Klarheit ihres Denkens überraschte ihn stets aufs neue. Nur wenn sie bei ihm war, wenn sie ganz Frau wurde, büßte sie ihre Nüchternheit ein. Dann war sie ein Vulkan. Losskow setzte sich. Auf dem Tisch stand noch eine Tasse mit kaltem Tee. Er trank sie mit kleinen hastigen Schlucken.
»Mich macht nachdenklich, was Trosky als Begründung anführte: Ich muß vernichten! Das ist ein ungeheuerlicher Satz! Vernichten! Was geht in diesem Mann vor? Eine Frau entzieht sich ihm – und er muß darauf zerstören! Irgendwas! Wenn man das weiterdenkt, Blondie – was kommt dabei heraus? Er wird immer an Vernichtung denken, wenn ihm was nicht paßt! Und so etwas haben wir an Bord!«
»Auf Teneriffa kannst du ihn loswerden.« Sie setzte sich, angelte nach einem T-Shirt auf dem Wandbrett und zog ihn über ihre
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