Die Fahrt Zu Den Sternen
überschlagender Stimme.
»Nein, natürlich konntest du nichts tun«, pflichtete Acorna ihm sogleich bei, obwohl sie sich über die Sachlage absolut nicht im klaren war – außer darüber, daß ihr Retter, nachdem er seine aufgesetzte Selbstsicherheit einmal abgestreift hatte, eindeutig nur ein Junge war, ein verlorenes Junges, das ihres Trostes bedurfte. Trotz, oder vielleicht auch gerade wegen ihrer mitfühlenden Beteuerung brach Markel plötzlich zusammen und begann heftig zu schluchzen, auch wenn er krampfhaft versuchte, sich zu beherrschen.
Sofort rutschte Acorna auf seine Seite ihrer Zuflucht hinüber und nahm ihn in die Arme. Trotz des Hutes, der während all ihrer Verrenkungen irgendwie an Ort und Stelle geblieben war, konnte sie seinen Kopf mit ihrem verdeckten Horn berühren, um seine Pein lindern zu helfen. Die Hände, die er vor sein Gesicht hielt, um sein Schluchzen zu ersticken, waren wund und blutig und obendrein verdreckt. Auch die konnte sie heilen. Wenn er ihr weiter helfen sollte, mußte er unversehrt sein. Den Dreck ließ sie unangetastet, da sie ohnehin kein Wasser hatte, um ihn abzuwaschen. Das erinnerte sie an ihren Durst.
»Es tut mir schrecklich leid, mein Junge«, besänftigte sie ihn in der Hoffnung, daß er das Mitgefühl und den Trost spüren konnte, den sie ihm geben wollte. »Wie lange ist das alles her?«
»Tage, Wochen, es könnten Monate sein. Es… es ist nicht leicht, hier drinnen ein Gefühl für die Zeit zu behalten.« Seine Stimme schwankte bedrohlich.
»Nein, das ist es gewiß nicht«, stimmte ihm Acorna zu, »und ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar ich dir bin, daß du mich gerettet hast.«
»Ich mußte es einfach tun. Ich würde alles tun, was ich kann, um ihnen heimzuzahlen, was sie meinem Vater angetan haben.« Er preßte seine Lippen aufeinander, als ob er einen weiteren Ausbruch unmännlichen Schluchzens zurückzuhalten versuchte. »Und sie hätten dich dazu gebracht, ihnen zu verraten, wie sie die Kontrolle über dein Schiff kriegen. Es ist eine echte Schönheit.«
»Woher weißt du das?«
Markels Augen leuchteten auf, und für einen Moment schien er seine Trauer und sein allzu erwachsenes Gehabe abgelegt zu haben, um ein normaler, naseweiser Halbwüchsiger zu sein, der die Gelegenheit genoß, mit seinen Kenntnissen zu prahlen.
»Oh, ich kenne jeden Schacht und jede Röhre in diesem Schiff.
Ich kann überall hin, und ich kann sogar ihre Komgespräche mithören. Die glauben, sie wären so furchtbar schlau. Nun, SO
schlau sind sie dann doch nicht. Ich weiß sogar, wo sie hergekommen sind. Sie sind an Bord der Haven aufgenommen worden, weil sie behauptet hatten, auf Palomella würden sie politisch verfolgt. In Wirklichkeit haben die Palomellaner einfach beschlossen, ihre übelsten Kriminellen loszuwerden, und haben uns alles mögliche vorgelogen, damit wir sie ihnen abnehmen. Diese Nueva hat auf Palomella einen Ring von Schutzgelderpressern betrieben, und jetzt versucht sie das gleiche auf der Haven. Wenn ich Vater doch nur gewarnt hätte, bevor – « Er brach ab und schluckte.
Acorna begriff, daß er nur das Schluchzen niederkämpfte, aber die Geste machte sie trotzdem durstig. Sie versuchte ihren Mund zu befeuchten, indem sie mit der Zunge über Lippen und Gaumen fuhr, aber sie brauchte allmählich wirklich dringend Wasser. Begehrlich dachte sie an all das Wasser zurück, dem sie erst vor ein paar Stunden so achtlos den Rücken gekehrt hatten.
»Du kommst nicht zufällig an ein bißchen Wasser heran, oder?«
»Ha! Ich komme an alles heran, was ich will«, erwiderte Markel stolz. »Was mir aber am Ende doch nichts genützt hat…«
Acorna spürte, daß er etwas Aufmunterung brauchte, daß er mehr darüber nachdenken mußte, was er tun konnte, und weniger über die Vergangenheit, die er ohnehin nicht ändern konnte.
»Ich bin sehr durstig«, fuhr sie daher sehnsuchtsvoll fort.
»Und wenn ich an die Fluten da unten auf Rushima denke…«
Er griff hinter sich und zog eine Wasserflasche hervor, komplett mit einem Saugröhrchenaufsatz, wie man ihn für das Trinken in Schwerelosigkeit benötigte.
»Oh, das ist ja wunderbar!« freute sich Acorna und brauchte ihre Begeisterung noch nicht einmal vorzutäuschen. Genüßlich nahm sie einen langen, gierigen Schluck von dem Wasser. Es schmeckte schal und metallisch, und sie hätte vorgezogen, es vor dem Trinken mit ihrem Horn zu reinigen, aber sie wollte den Jungen nicht kränken.
»Nur zu«, forderte Markel
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