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Die Falken Gottes

Die Falken Gottes

Titel: Die Falken Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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immer auch ein wenig daran gezweifelt hatte, ob die Geschichten von den Teufelsdienerinnen wirklich der Wahrheit entsprachen. Ihre Angst vor Svante war hingegen greifbar. Es war die Angst vor dem Bösen.

    »Trinkt, mein Herr.«
    Dahlgrenöffnete den Mund und ließ sich von Svante einen bitteren Kräutersud einflößen. Seine Augen irrten flackernd durch die staubige Dachkammer, in der er auf einer Decke an einer breiten Eichenholztruhe lehnte. Er verschluckte sich, |292| hustete und stöhnte laut auf, als dieses unbedachte Zucken den Schmerz in seiner Schulter neu entfachte.
    »Ohlin«, krächzte er mühsam, denn seine Stimme wollte sich kaum durch die geschwollene Kehle zwängen. »Was ist … mit Ohlin?«
    Svante nahm das feuchte Tuch fort, das auf seiner zertrümmerten Schulter lag und betrachtete mit sorgenvoller Miene die Wunde. »Er wird die Königin nicht schützen können. Sie und ihre Begleiterin werden schon bald von dem Mehl des Schwarzen Bilsenkrautes, das ich in ihren Wein und ihre Speisen gemischt habe, so betäubt sein, daß sie einen Traum nicht mehr von der Wirklichkeit unterscheiden können.«
    Dahlgren nickte matt. Er hatte nie an Svante gezweifelt. »Bring mir den Dolch!« Dahlgren hob langsam die Hand und deutete auf das Bündel, das auf der Truhe neben dem schmalen Dachfenster lag. Svante erhob sich, griff danach und wickelte die Waffe aus dem Stoff. Sie betrachtete den Dolch mit dem Falkenemblem so ehrfürchtig, als hielte sie eine kostbare Reliquie in ihren Händen. Ihr Blick schweifte kurz zum Fenster, und als sie sich ihm wieder zuwandte, wirkte sie erstaunt, ja regelrecht überrascht.
    »Was … was hast du dort gesehen?« wollte er wissen.
    »Ein Mädchen«, antwortete sie. »Auf dem Hof treibt sich ein Mädchen herum, das Magnus schon einmal in dieses Haus gebracht hat. Wahrscheinlich sucht sie nach ihm.« Svante überlegte einen Moment, dann steckte sie den Dolch in ihre Schurztasche und trat zur Tür. »Auch sie wird uns nicht aufhalten.«

    Anneke lief zum Haus und lehnte sich an die Steinwand. Sie verhielt sich ruhig, lauschte nach Stimmen oder anderen Geräuschen aus dem Haus, doch außer dem Meckern einer Ziege aus dem Garten des Nachbarhauses blieb alles still.
    |293| Sie machte einen Schritt zur Seite und spähte durch das Küchenfenster. Hinter den braunen Butzenscheiben konnte sie nicht viel erkennen, doch ihr wäre es aufgefallen, wenn sich dort jemand bewegt hätte.
    Sie drehte sich herum und wollte zur Dielentür schleichen, aber schon im nächsten Moment fuhr sie erschrocken zusammen.
    Vor ihr stand Svante Ohlin.
    Trotz ihres wie rasend klopfenden Herzens zwang sie sich zur Ruhe. Wenn Svante Ohlin bemerkte, wie sehr sie sich vor ihr fürchtete, würde das nur ihr Mißtrauen erregen.
    »Herrje, Ihr habt mich überrascht, gnädige Frau«, brachte Anneke hervor.
    »Was lungerst du hier herum?«
    Anneke fiel auf, wie sehr Svante Ohlin sich verändert hatte. Dies war nicht mehr die blasse Frau, die einen so schwermütigen und lethargischen Eindruck vermittelt hatte. Ohlins Ehefrau wirkte entschlossen und hart. Ihre hellen Augen fixierten Anneke abschätzig.
    »Herr Ohlin hat mich zu sich bestellt«, behauptete Anneke. »Er sprach von einer dringenden Angelegenheit, die keinen Aufschub duldet. Ich habe an die Vordertür geklopft, und als mir dort nicht geöffnet wurde, bin ich in den Garten gelaufen, um nachzuschauen, ob sich Herr Ohlin im Stall aufhält.«
    Svante Ohlin verschränkte die Arme vor der Brust. »Er wird dich nicht gehört haben, weil er in den Keller gestiegen ist.« Sie wies auf die offene Tür. »Komm nur herein. Ich bringe dich zu ihm.«
    Anneke ahnte, daß es eine Dummheit war, Svante in das Haus zu folgen, doch was sollte sie anderes tun? Wie ein Feigling davonrennen und Magnus und die Königin ihrem Schicksal überlassen? Dazu war es nun zu spät. Also folgte sie Svante nach kurzem Zögern.
    |294| Ohlins Ehefrau führte sie in die Küche, wo sie eine schmale Holztür öffnete und auf die Steintreppe deutete, die in einen dunklen Kellerraum hinabführte.
    »Geh nur hinunter, er schichtet dort das Holz auf«, meinte Svante und winkte sie heran.
    Anneke machte einen Schritt auf die Tür zu, doch plötzlich sträubte sich alles in ihr, Svante Ohlin den Rücken zuzuwenden und dort hinunterzusteigen.
    »Ruft ihn bitte hinauf«, sagte Anneke recht unsicher. Einen Moment lang standen die beiden Frauen sich reglos gegenüber, dann zog Svante aus ihrer Schurztasche

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