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Die Falken Gottes

Die Falken Gottes

Titel: Die Falken Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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die mehr als fünf Jahre zurücklag. Er hatte der Königin keine offizielle Aufwartung gemacht, sondern war von seinem Onkel Salvius in einen Pferdestall nahe dem Stockholmer Schloßes geführt worden, wo die Königin schmutzig und mit zerzausten Haaren nach einem Ausritt mit nackten Füßen auf einer Holzbank hockte und die Nase in einen ihrer Stulpenstiefel steckte. Ihr Blick war zu Magnus gewandert, wobei sie die Nase kraus gezogen und gesagt hatte: »Da stinkt es schlimmer als aus dem Maul meines Pferdes«, worauf Magnus einen Spruch aus den Episteln des Horaz erwidert hatte: »
Quo semel est imbuta recens, servabit odorem testa diu
.« Was soviel hieß wie: »Lange wird mein neues Geschirr noch nach dem riechen, womit es zuerst gefüllt wurde.«
    Die Königin hatte ihn verwundert angeschaut, und Magnus war nicht verborgen geblieben, daß sein Onkel neben ihm merklich zusammengezuckt war und den Atem angehalten hatte. Dann jedoch hatte Christina schallend gelacht und ausgerufen:
»Homo sum, humani nihil a me alienum puto.«
– »Mensch bin ich, nichts was menschlich ist, acht’ ich mir als fremd.« Mit diesem Satz des Terenz hatte sie |199| Magnus zu sich gewinkt und einen Becher Wein mit ihm geteilt, während der erleichterte Johan Adler Salvius ihn vorgestellt hatte.
    Königin Christina schaute nun zu ihnen auf. »Kommt näher«, sagte sie. »Es gibt etwas Wichtiges zu erledigen.« Sie zeigte auf Hauptmann Elisson, der daraufhin einen Folianten zur Hand nahm und damit auf Magnus und Anneke zukam. Magnus konnte an der goldbesetzten Prägung auf dem Ledereinband erkennen, daß es sich bei dem Buch um die Heilige Schrift handelte.
    »Ihr werdet einen Schwur ablegen«, sagte die Königin auf deutsch, damit auch Anneke sie verstehen konnte. »Darum legt Eure Hand auf die Bibel und bezeugt vor Gott, daß Ihr über meinen Aufenthalt in Münster schweigen werdet. Alles, was Ihr in diesem Kolleg gesehen und gehört habt, wird ein Geheimnis bleiben. Solltet Ihr dieses Versprechen brechen, wird Gott über Euch zu richten wissen.«
    »Und was geschieht, wenn ich mich weigere, einen solchen Schwur abzulegen?« fragte Magnus. Obwohl ihm klar war, daß er Christina durchaus provozierte, überraschte es ihn, wie energisch sie mit entschlossener Miene vor ihn trat und ihm zornig in die Augen starrte. Zu manchen Zeiten hatte es ihn gereizt, Christina herauszufordern, denn ein cholerisches Temperament brachte ihr Blut nur allzu schnell in Wallung. Wie sie sich jetzt mit geballten Fäusten vor ihm aufbaute, erinnerte sie ihn an einen Kater vor dem Sprung.
    Nun mischte sich auch Elisson ein. »Wenn Ihr diesen Schwur nicht leistet, werden wir Euch als Gefangene mit nach Schweden nehmen und Euch im Karzer von Stockholm in Ketten legen lassen.«
    Anneke hob ihre Hand. »Ich habe nie gesagt, daß ich mich weigere.«
    Elisson streckte die Bibel näher zu Magnus hin und forderte |200| ihn mit einem nachdrücklichen Nicken auf, den Schwur zu leisten. Magnus zögerte weiterhin.
    »Würde es Euch gefallen, mich in Ketten zu sehen, Majestät?« fragte er Christina.
    »Ich würde es bedauern, aber Euer Schweigen wäre mir jedes Opfer wert.« Die Königin verzog keine Miene. Magnus kannte Christina gut genug, um zu wissen, daß sie ihrer Drohung Taten folgen lassen würde, und darum legte er seufzend seine Schwurfinger auf die Heilige Schrift.
    Elisson räusperte sich. »Schwört Ihr vor Gott, daß Ihr niemals …« Er stockte, weil aus dem Vorraum ein Poltern und lautes Fluchen zu hören war.
    »Was zur Hölle …?« Der Hauptmann legte den Folianten fort und wandte sich zu Roald um, der neben der Königin bereits den Degen blank gezogen hatte und seinen massigen Körper wie eine schützende Wand vor sie schob.
    Elisson stürzte zur Tür, die in diesem Moment auch schon aufgestoßen wurde. Einer der Gardisten zerrte mit wütender Miene eine Frau in das Zimmer, deren Arm er auf den Rücken gedreht hatte.
    »Wer ist das?« wollte Elisson wissen.
    »Ich habe sie auf dem Korridor überrascht, als sie sich heranschlich. Sie trug eine Waffe bei sich.« Der Gardist riß ihren Arm herum, und die Frau schrie auf. »Die Furie wehrt sich wie ein wildes Tier. Sie hat mich gekratzt und gebissen.«
    Magnus ging einen Schritt auf die Frau zu und umfaßte grob ihr Kinn. Auch sie trug Männerkleidung, doch im Gegensatz zu Christina ließ ihr hübsch geschnittenes Gesicht keinen Zweifel daran aufkommen, daß eine Frau in dieser Hose und diesem Wams steckte.

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