Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
daumennagelgroße Silhouette.
»Es gibt kaum etwas Anmutigeres als diesen Vogel«, lobte der Truchsess. Er sah müde aus. Die Gerichtstage waren ganz offensichtlich anstrengend gewesen. Zudem hatte er die halbe Nacht mit den Räten zusammengesessen. Es lag etwas in der Luft.
Margarethe hoffte nur, dass es zu keinen Unruhen kommen würde. Die Erfahrungen aus Prager Zeit genügten ihr vollends. So etwas wollte sie nicht noch einmal erleben. Doch jetzt galt es, anderes zu besprechen. Margarethe rechnete es Margots Vater hoch an, dass er trotz aller Arbeit ihrer Bitte gefolgt war und sich Zeit für sie genommen hatte. Gesagt hatte er noch nichts, vielmehr schien er den Ausflug zu genießen. Seine Wangen hatten sich gerötet und seine Falten geglättet, seit sie die Mauern der Stadt hinter sich gelassen hatten. Nun hatten sie auf einer Lichtung, die Wics bevorzugtes Jagdgebiet war, haltgemacht, um dem Vogel Gelegenheit zu geben, auf die Beiz zu gehen. Margarethe und der Truchsess ließen den Pferden die Zügel lang, damit sie ein wenig grasen konnten, blieben jedoch im Sattel sitzen. Die beiden Rösser schnaubten kurz und taten sich dann am frischen Gras gütlich, das nach einem heftigen Regenschauer zwei Tage zuvor reichlich spross.
»Wic ist ein unglaublicher Vogel. Jedes Mal, wenn ich sie fliegen sehe, denke ich daran, wie ihre Eltern einst über die Moldau gestrichen sind«, begann Margarethe nach einer Pause.
»Ich vermute, in diesen Gedanken liegt ein wenig Wehmut wie in allen Kindheitserinnerungen?«
»Zugegeben, wir waren damals voller Illusionen und Tatendrang.«
»So wie die meisten jungen Leute in dem Alter. Nun denn, welcher Eurer Schützlinge ist es, der Euch Kummer bereitet, Margarethe? Elisabeth? Möchtet Ihr von der Aufgabe als Gouvernante entbunden werden?«
Lächelnd sah die Rothaarige den Truchsess an. Was für ein gescheiter Mann er doch war! Natürlich war ihm klar, dass sie nicht aus Kurzweil um den Jagdausflug gebeten hatte. Dann wurde sie ernst. »Nein, es ist Margot, um die ich mich sorge«, erklärte sie.
Bischishausen machte ein erschrockenes Gesicht. »Was ist mit ihr?«
Margarethes Magen zog sich zusammen. Keinesfalls konnte sie dem Truchsess berichten, dass sie ihre Freundin allein mit dem Sachsenheim in der Laube erwischt hatte. Doch zugleich stand sie bei Bischishausen im Wort. Sie hatte versprochen, auf seine Tochter ein wachsames Auge zu haben. »Ich habe das Gefühl, dass sie langsam erwachsen wird«, versuchte es die Hofdame diplomatisch.
Der alte Herr sah die Rothaarige erwartungsvoll an. »Nun, dass sie nicht mehr mit Puppen spielt, ist auch mir nicht entgangen. Was ist es also, was Ihr mir sagen wollt?«
Sie musste offenbar deutlicher werden. »Ich glaube, Margot ist im Begriff, sich zu verlieben.«
Für einen Augenblick schien es, als habe Bischishausen ihr überhaupt nicht zugehört, denn er schien abwesend in den angrenzenden Wald zu starren. Schließlich stieß er einen tiefen Seufzer aus. »Dann wird es Zeit, sie zu verheiraten. Schade, ich hatte gehofft, ihr diese Bürde nicht so früh auflasten zu müssen.«
»Habt Ihr bereits konkrete Pläne für sie?«
»Es gibt da schon einige Aspiranten … Hm, Ihr wisst nicht zufällig, auf wen Margot ein Auge geworfen hat? Ich würde ihre Wünsche gerne berücksichtigen, wenn es sich einrichten lässt. Ihr dürft vermutlich nichts verraten. Aber Ihr würdet mein altes Vaterherz beruhigen und mir sagen, wenn es ein standesgemäßer junge Mann ist?«
»Das schon. In jedem Fall.« Margarethe schluckte. Vielleicht hatte sie sich ja geirrt, was die Reaktion des alten Bischishausen auf den Sachsenheim anging.
Dem Truchsess entging ihr Zögern nicht. »Es ist doch wohl kein verheirateter Mann?«
»Nein.«
»Nun denn, heraus damit, damit ich mich heute Nacht nicht vor Sorge von einer Seite auf die andere werfe.«
»Der Herr von Sachsenheim ist Margot wohl ins Auge gestochen.«
Der Truchsess wurde so blass, als habe er gerade einen Geist gesehen. Seine Hand fuhr an den Knauf des Sattels, während sein Oberkörper kurz schwankte. »Das, das kann nicht sein«, flüsterte er.
»Ich fürchte doch.«
»Und er?«
»Macht ihr Hoffnungen.«
»Dann weiß er also nichts …« Der Truchsess unterbrach sich, und dann tat er etwas, was Margarethe von diesem ungemein besonnenen Mann niemals erwartet hätte. Er stieß einen lauten und von schierer Wut erfüllten Schrei aus, sodass sein Pferd erschrocken einen Satz nach vorne
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