Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
erkundigte sich Margarethe.
»Ihr wisst wahrscheinlich nicht, dass Ihr Euch den Mann mit anderen Frauen teilen müsstet.«
Margarethe sah den jungen Kaufmann fragend an.
»Nun, des Sultans Gattinnen leben in einem Harem, einer Art Lusttempel. Er lässt sie von Eunuchen bewachen, und niemand außer ihm bekommt sie zu Gesicht.«
»Sagtest du Frauen? Hat er denn mehrere?«
»Man sagt, es seien hundert.«
»Du erzählst vielleicht Geschichten, Sepi.«
Der junge Mann legte sich die Hand aufs Herz und schaute treuherzig wie ein junger Hund. »Ich schwöre, das ist, was man berichtet.«
»Na ja, wenn man’s genau nimmt, so anders ist es bei uns auch nicht, nur halten sich unsere Edelmänner die Geliebten eben im Geheimen.« Ein wenig Wehmut schwang in Margarethes Stimme mit.
»Bei mir wäre das nicht so. Ich wäre Margot treu bis in den Tod.« Er hob drei Finger der rechten Hand.
»Dann hegst du aufrichtige Gefühle für sie?«
Er nickte. »Sobald es im Frühjahr möglich ist, wird mein Weg mich als Erstes gen München führen, und wenn Margot mich erhört, wird meine Reise anschließend nach Stuttgart gehen, um beim Truchsess vorzusprechen.«
Margarethe schaute skeptisch, was Sepi dazu veranlasste, weiterzureden: »Ich weiß, ich bin nur ein Patrizier und ihr vom Stand her nicht ebenbürtig, aber ich würde sie lieben und achten und gut für sie sorgen.«
Er sagte das so ernsthaft, dass die Hofdame gerührt nach seiner Hand griff. »Das klingt vielversprechend.«
»Und trotzdem habt Ihr Bedenken?«
»Sepi, du hast sicher ehrbare Absichten, aber deine Sympathie für die Hussiten könnte dich eines Tages in große Schwierigkeiten bringen. Was wird dann aus Margot?«
»Nichts liegt mir ferner, als sie in Gefahr zu bringen.«
»Dann müsstest du wohl deine Ideale aufgeben.«
»Niemals. Doch seht, meine Stärken lagen noch nie im Kampf. Ich bin ein Kaufmann.«
»Dann bedenke, dass euer Sohn einmal das Amt des Truchsessen erben würde.«
»Einer für den Truchsess und der nächste für den Widerstand.«
Margarethe rollte mit den Augen. Sepi war ein hoffnungsloser Idealist, dem einfach nicht beizukommen war. »Manchmal glaube ich wirklich, du brauchst noch ein paar strenge Winter, Junge«, spottete sie lächelnd. »Warten wir erst mal ab, bis es Frühling ist, und reden dann weiter.«
»Wenn Ihr bis dahin nicht in Murads Harem eingetreten seid.«
Margarethe tat so, als wäre sie beleidigt. »Nun, dann würde ich dem Sultan vorschlagen, dich als Aufpasser einzusetzen, damit du mich mit deinen unglaublichen Geschichten unterhalten kannst.«
Sepi verzog angewidert das Gesicht. Dann sah er, wie Margarethes Mundwinkel zuckten. Sie lachten beide herzlich, und Sepi sagte: »Verzeiht mir, Frau Margarethe, aber dieses Opfer wäre selbst für Euch zu groß.«
Eine frische Böe blähte ihre Mäntel, und der Falke begann, unruhig mit den Flügeln zu schlagen.
»Wic möchte fliegen«, wechselte Sepi abrupt das Thema.
»Ich hatte sowieso nicht vor, noch weiter zu reiten. Diese Schafweide ist für einen kurzen Ausflug in die Lüfte genau richtig. Mal sehen, ob Wic heute Beute macht. Ein Kaninchen für das Nachtmahl wäre nicht schlecht.«
Mit steif gefrorenen Fingern zog Margarethe dem Falkenweibchen die lederne Haube ab. Dann warf sie den Vogel in die Luft. Margarethe und Sepi schirmten die Augen mit den Händen ab und beobachteten, wie sich der Vogel mit kräftigen Schlägen höher und höher schraubte. Endlich ging er in den Gleitflug und schwebte majestätisch hoch über ihren Köpfen. Die frische Brise ließ Margarethe frösteln, während sich das Falkenweibchen in den Aufwinden treiben ließ.
Die junge Frau blinzelte dem Vogel neidvoll hinterher, und sie fragte sich, wie es sich wohl anfühlte, den Wind unter den Flügeln zu spüren und auf ihm dahinzuschweben. Zum ersten Mal wurde ihr bewusst, was sie dem Vogel genommen hatte, als sie ihn aus dem Nest geholt hatte. Nie in seinem Leben würde er nach eigenem Gusto die Lüfte durchstreifen können. Das Federspiel würde ihn stets zurückrufen. Es war wie eine unsichtbare Kette, die ihm den eigenen Willen raubte.
»Werdet Ihr beim Truchsess ein gutes Wort für mich einlegen?«, kam Sepi wieder auf Margot zu sprechen.
Die Hofdame überlegte. Der Junge war wirklich keine schlechte Partie, und vielleicht würden sich seine Verrücktheiten bezüglich der Hussiten legen. Die meisten Männer wurden ruhiger, wenn sie erst einmal für eine Familie zu sorgen hatten.
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