Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
nach ihrer Hand.
Jan runzelte die Stirn. »Was glaubt ihr eigentlich, was los gewesen wäre, wenn ihr abgestürzt wärt?«, schimpfte er leise »Wie hätte ich das erklären sollen?«
Mit zitternden Fingern fasste Margarethe in ihre Umhängetasche, holte das Wolltuch heraus und knüpfte es auf. Ein hässlicher Raubvogelkopf mit weißgrauem Flaum kam zum Vorschein. »Damit vielleicht«, meinte die junge Frau schlicht.
Der Böhme schüttelte den Kopf. »Du bist und bleibst verrückt!« Dann sah er das Blut an ihrem Kopf. »Himmel, du bist verletzt.«
»Es war das Weibchen, das seine Jungen beschützen wollte.«
Jan schüttelte den Kopf noch heftiger. »Absolut verrückt!«
»Das ist sie, ein Weib wie kein zweites auf dieser Welt«, mischte sich Albrecht ein und ließ ihre Hand los. Anerkennend klopfte er Margarethe auf die Schulter. »Das hätten nicht viele gewagt und erst recht kein Mädchen.«
Margarethes Augen begannen zu leuchten. Sorgsam barg sie das Junge wieder in dem Tuch. »Jetzt habe ich einen eigenen Falken.«
»Das hast du«, stimmte der Wittelsbacher zu.
Jan wandte sich ab und meinte mit seltsam gepresster Stimme: »Wir sollten zurückreiten. Diese Verletzungen scheinen mir doch recht tief zu gehen. Wenn sie nicht umgehend versorgt werden, bleiben Narben.«
»Ehrenvolle«, ergänzte Albrecht und half Margarethe auf. Sie lehnte sich kurz an ihn. Der Zwist, den sie vor ihrem Abenteuer gehabt hatten, schien vergessen.
K APITEL 5
Die Mutter mit dem Kind erkannte die drei Reiter auf den ersten Blick. Dass die junge Frau keine Magd und ihre Begleiter keine Knechte waren, hatte sie gleich gewusst, schon in der Gasse, und erst recht später, als die drei sie nach der geglückten Flucht vor den königlichen Schergen vor dem Schloss hatten loswerden wollen. Ihr Auftreten war das von Herrschaften, und die Kühnheit des hochgewachsenen Braunhaarigen die eines Mannes von Stand. Kein Leinengewand konnte darüber hinwegtäuschen. Zudem gaben die drei ihr Geld leichtfertig aus. Ein Dienstbote, der für sein Einkommen hart arbeiten musste, hätte ihr nie und nimmer einen ganzen Monatslohn überlassen. Sie hatte das Almosen gerne genommen, weil sie das Geld für sich und ihr Kind dringend brauchte. Sie hatten sich satt gegessen und eine Heilerin aufgesucht, die sich ihres verletzten Beines angenommen hatte.
Inzwischen war der flüchtige Reichtum längst aufgezehrt. Voller Verzweiflung hatte sich die Frau an diesem Tag in die Nähe von Zelivskys Kirche gewagt, doch dort wimmelte es nur so von Spähern des Königs, und sie durfte kein Risiko eingehen – nicht für sich und schon gar nicht für das Kind. Fürsorglich strich sie ihm über die blonden Locken. Die Haarfarbe glich ihrer, doch die Gesichtszüge waren die des Vaters. Wie bedauerlich, dass es kein Junge geworden war. Dann hätte er das Werk seines Erzeugers fortsetzen und den Menschen Freiheit bringen können. Ein Mädchen aber … Die junge Frau seufzte. Sie schlang ihren Mantel um das Kind, das sich bibbernd an sie schmiegte.
In dieser Situation erblickte sie die drei Berittenen, die auf edlen Pferden saßen und in wertvolle Gewänder gekleidet waren. Die junge Mutter sah ihre Chance und zögerte nicht. Die rothaarige Frau auf dem Pferd hatte die Kapuze ihres Mantels hochgeschlagen und verbarg das Gesicht dahinter. Im Arm trug sie ein Bündel, das sie so sorgfältig hielt, als befände sich ein Schatz darin. Nur noch wenige Schritte, dann würden die Reiter die junge Frau und ihr Kind passieren. Sie musste sich entscheiden. Sie warf einen weiteren Blick auf ihre kleine Tochter. Es war ein unerhörter Gedanke, ausgerechnet unter Wenzels Dach Zuflucht zu suchen. Andererseits würde sie an diesem Ort gewiss niemand suchen. Mit einem Satz war sie an der Seite der Rothaarigen und warf sich vor ihr zu Boden.
»Ach Herrin, habt Erbarmen mit einer armen Frau!«, rief sie, wobei sie in ihrer demütigen Haltung verharrte.
Die Reiterin zügelte ihr Pferd und schaute sie erstaunt an. In der nächsten Sekunde glitt der Schein des Wiedererkennens über ihr Gesicht. Sie zögerte einen Moment zu lange, sodass die junge Mutter Gelegenheit hatte, ihr zuzuraunen: »Erkennt Ihr mich denn nicht? Ich jedenfalls habe Euch nicht vergessen.«
Die Frau sah vom Boden aus, wie der blonde Reiter mit den durchdringenden blauen Augen sein Pferd herantrieb. »Was willst du, Bettlerin?«, fragte er unwirsch.
Dann aber verstummte auch er. Die jungen Leute tauschten einen
Weitere Kostenlose Bücher