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Die Fallen von Ibex

Die Fallen von Ibex

Titel: Die Fallen von Ibex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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sagen. Die Zel stieß einen furchtbaren Schrei aus, glitt von ihrem Reittier und rannte mit ausgebreiteten Armen auf Shadith zu. Shadith war viel zu überrascht, um zu reagieren. Die Zel hatte sie fast erreicht - da stutzte sie, blieb stehen, starrte sie an; ihre Arme sanken langsam herab. „Maslil”, wisperte sie. „Laska…” Sie streckte die Hände aus, schloß die Rechte zur Faust und zog sie in langsamem Rucken zurück, bis sie auf ihrem Bauch lag. Einen Moment lang stand sie völlig reglos, dann wirbelte sie zu Aleytys herum.
    „Du…”, flüsterte sie mit heiserer, brechender Stimme. Sie schluckte. „Gib sie frei, nimm deinen Dämon von ihr, gib sie frei, oder…”
    „Oder was, Kind?” Aleytys atmete tief durch. „Juli, hör zu…
    Du verstehst gar nichts.” Sie wischte sich eine Haarsträhne aus den Augen zurück. „Vergiß, was war, es existiert nicht mehr. Deine Laska ist tot. Und nicht durch meine Hände oder durch ihre. Es gab einen Kampf; einer der Männer hat ihr den Schädel eingeschlagen.” Sie sprach die Worte mit brutaler Deutlichkeit aus, da sie die junge Zel aus ihrer Hysterie aufschrecken wollte. „Shadith”, sagte sie. „Komm her. Wakille, hör endlich auf, die Nase hochzuziehen und mach einfach weiter, ganz gleich, was du gerade machst. Der Regen da kommt ziemlich bald. Wir helfen mit, sobald wir das Problem hier gelöst haben.” Sie ignorierte sein nicht ganz laut gewordenes Fluchen und blickte Shadith an, die ihrerseits die verzweifelte Zel anstarrte, und zwar ziemlich unfreundlich.
    Shadith gehorchte. Sie umrundete die Zel und marschierte kampflustig an Aleytys’ Seite.
    Aleytys berührte ihren Arm. „Geh vor, zum Rand”, wies sie an. „Wir kommen nach.” Sie wartete kurz, bis Shadith unter den Bäumen verschwunden war, dann sagte sie: „Tranjit Juli, komm, hör mir zu. Wisse, was geschehen ist. Sei getröstet. Es gab nichts, was du hättest tun können, und es gibt auch jetzt nichts, was du tun kannst. Komm.” Sie folgte ihr, und Aleytys redete weiter, als sie sich von der Lichtung entfernten, redete mit ruhiger, besänftigender Stimme, Worte, die mehr oder weniger Sinn ergaben, sich wiederholten, der Tonfall ihrer Stimme ein hauchzarter Faden, der sie beide verband, sie und die Zel, und die Zel folgte ihr tatsächlich.
    Am Rand der Insel ließ sich Aleytys auf einer Wurzel nieder und winkte Shadith zu sich heran. Die Zel blieb in sicherer Entfernung auf dem erkennbaren Pfad, bis ein plötzliches Rucken der Insel sie auf die Knie warf. Wind kam auf, und die baumwollgleichen Wolkenknäuel wurden dichter und düsterer und hingen jetzt tief über dem Meer. Der hintere Teil der Insel bewegte sich weiterhin, das Stöhnen und Scharren wurde lauter: Erdreich und Wurzelwerk verschoben sich und knirschten auf dem sandigen Grund. Die Strömung war jetzt - vereint mit dem stärker werdenden Wind -kräftig genug, sie auf dem vorherbestimmten Weg voranzutragen, auf jenem vorherbestimmten Weg, den sie in dieser oder jener Form bereits Tausende von Malen hinter sich gebracht hatte.
    Juli kauerte sich in den zertrampelten Farnen nieder, der Blick ihrer dunklen, verzweifelten Augen wechselte langsam zwischen Shadith und Aleytys, immer wieder, immer wieder, ein automatisches Hin- und Herschwingen mit wenig Bewußtsein oder Willen dahinter.
    Aleytys seufzte und blickte zum Strand hinüber. Die Sandbank lag bereits mehrere Meter hinter der Insel. Einige wenige Ekansu-Frauen harrten am Ufer noch aus und sahen dem Schauspiel zu.
    Die Zwei-sind-Eins waren verschwunden, die Ältesten ebenfalls; der müßige Rhythmus des Alltagslebens - so, wie es gewesen war, vor Ankunft der Fremden - kehrte bereits wieder ein.
    Sie sah die Zel an. „Tranjit Juli”, sagte sie sanft. „Versuch mir zu glauben. Shadith ist kein Dämon. Ich habe deiner Laska kein Leid zugefügt, ich habe ihr nichts getan. Sie war tot, vollkommen tot; ein Mann aus der Siedlung nördlich von der euren hat sie umgebracht. Du weißt, daß eure Kriegerinnen einem Reitertrupp von ihnen aufgelauert haben. Wenn es dir etwas hilft: Ihr Mörder ist ebenfalls tot, die Zel haben ihm die Kehle durchgeschnitten.”
    Juli schaute auf, doch sie sah Aleytys nicht an. „Maslil”, flüsterte sie. „Bitte, erinnere dich. Bitte. Im Jahr deiner Prüfung haben wir uns einander bis zum Tode und darüber hinaus verpflichtet.
    Kannst du dich nicht erinnern? Ich habe deine Hand gehalten, damals, als du den Falken zum ersten Mal geflogen hast, als

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