Die Fallen von Ibex
sie das sagen konnte.
Aleytys fuhr herum, als sie das kreischende Stöhnen hörte. Die Insel erzitterte, bäumte sich auf und lief mit einem berstenden Krachen knapp einen Kilometer vor der Sandbank auf Grund, ein gefährlicher, trügerischer Halt. Das hintere Ende schwenkte herum, knirschte auf Sand. „Aye”, sagte Aleytys und nickte Shadith und Wakille zu. „Zeit zum Aufbruch.”
Der Boden senkte sich so gemächlich, daß selbst einen halben Kilometer weit draußen das Wasser erst gegen die Unterseiten der geflochtenen Steigbügel streifte. Kleine Wellen schwemmten gelegentlich über ihre Füße. Doch als sie nur mehr ein Dutzend Meter vom Pflanzenrand der Insel entfernt waren, senkte es sich mit erschreckender Plötzlichkeit ab. Die Gyori grollten protestierend, begannen jedoch zu schwimmen - ein kräftiges Strampeln, die Köpfe starr zurückgeworfen. Nicht lange, und sie jaulten ihre Furcht und ihre Abneigung gegen das Salzwasser lautstark hinaus.
Aber dann war das Gewirr aus Wurzeln und Pflanzen in der Nähe der Inselspitze beinahe erreicht - und im gleichen Augenblick hörte Aleytys das Rufen hinter sich - Gyr-Kreischen und einen Kriegsschrei. Sie trieb ihr Reittier auf festen Boden, glitt von seinem Rücken und trieb es mit einem Schlag auf die Kruppe weg; verunsichert trabte es zu den Bäumen. Aleytys wandte sich hastig um und spähte zum Land hinüber.
Eine Zel. Tief auf den Rücken eines Gyrs hinabgebeugt. Sie kam über die Landzunge, trieb das Tier ins Wasser; sein Aufschrei gellte wie eine menschliche Stimme, es wehrte sich gegen die Kontrolle seiner Reiterin. Eine Tranjit. Den Kopf schon seit geraumer Zeit nicht mehr rasiert, so daß der neue Haarwuchs die Schädelbemalung verbarg. Schmutzige helle Gewänder waren an dürren Beinen hochgerafft. Juli. Aleytys seufzte.
„Lee!” Shadith war an ihrer Seite; sie hatte die Sehne auf den Bogen gespannt, war bereit. „Laß mich…”
„Nein.” Aleytys rieb sich über das Gesicht. „Nein. Sie ist noch ein Baby, Shadi, siehst du das nicht? Nicht älter als du.”
„Du kennst sie?”
„Ich kenne sie. Eine Zel. Eine meiner Wächterinnen.” Sie bewegte die Schultern, machte den Rücken gerade. „Ich werde hier auf sie warten, Shadi. Geh und hilf Wakille, das Lager aufzubauen.
Spürst du den Wind? Man kann den Regen darin riechen. Ich werde mit ihr fertig werden.”
„Wenn du meinst…”
Aleytys hob eine Braue. Shadith grinste sie an und trieb ihr Gyr durch Farnkraut und dürre Schößlinge, die sich hier an den abweisenden Inselrand klammerten. Noch bevor sie in den Schatten unter den Bäumen eintauchte, wandte sie sich wieder um. „Paß auf dich auf, Lee.”
„Diesmal kein >Nimm dich in acht vor dem Joker”
„Schlimmer Vorläufer. Laß sie nicht an Bord kommen, Lee.
Sonst kannst du gleich eine Viper hätscheln.”
„Hab’ schon verstanden.”
„Pah! Du hörst, was ich sage, aber du hörst nicht zu. Egal. Ich verschwinde, und du tust, was du nicht lassen kannst.” Der Schatten nahm sie auf. Aleytys hörte, wie der Hufschlag und das Bersten und Knacken im Unterholz allmählich verklangen.
Die Zel hatte die Insel erreicht und trieb ihr müdes Gyr über den trügerischen Halt aus bizarren Wurzeln und glitschigen Pflanzenstengeln herauf. Unmittelbar vor Aleytys zügelte sie ihr Reittier; schwer atmend saß sie im Sattel, die dunklen Augen voller Haß, den Mund zu einem festen Strich zusammengepreßt.
„Juli”, sagte Aleytys. „Tranjit Juli.”
Die Zel schnappte nach Luft; preßte die Lippen wieder zusammen.
„Geh nach Hause, Tranjit Juli, das hier ist nicht dein Leben.”
Juli funkelte sie an und trieb das Gyr mit einem jähen Stockhieb gegen den wunden Rumpf in den stolpernden Lauf und auf die Bäume zu.
Aleytys rannte los, erreichte den Trampelpfad durch das Farnkraut und folgte ihr.
Auf einer kleineren Lichtung am Fuß eines der in der Inselmitte aufragenden Hügel, dort, wo ein großer, alter Baum dem Schütteln eines Sommergewitters zum Opfer gefallen war, traf sie Wakille inmitten eines Gewirrs aus Ästen stehend an; Linfyar schmiegte sich an ihn, verwirrt von diesem Sturm der Emotionen, der sich jetzt in der Lichtung ausbreitete. Shadith fuhr überrascht herum, das Zaumzeug eines der Gyori noch in Händen. Sie alle starrten die Zel an. Juli zögerte noch immer; es schien, als sei die Zeit gefroren. Still und steif hockte sie im Sattel. Aleytys kam unter den Bäumen hervor - doch sie fand keine Zeit mehr, etwas zu
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