Die Fallen von Ibex
silberne Schönheit des Meeres auf sich einwirken. Ein großes Meerestier tauchte auf und atmete und stieß eine Dunstwolke mehrere Meter hoch empor in die Luft; ein silberner Nebel vor dem Schwarz des Himmels und des Wassers. Sie rieb geistesabwesend an ihren Brüsten und vermißte Grey in diesen Minuten ganz besonders schlimm; da war ein Verlangen in ihr, ein Kribbeln, das in ihren Lenden begann und sich durch ihren ganzen Körper hindurch ausbreitete. Sie streckte sich, rutschte auf den Wurzeln herum, verschränkte schließlich die Hände hinter dem Kopf. Wakille wußte nur zu gut, warum sie so unruhig war - verdammt sei er! Und verdammt sei sein emphatischcs Wissen; seine Gedankenfühler, die sie einfach nicht abblocken konnte… Wie er es mit diesem subtilen Takt, der an sich schon eine Beleidigung war, immer wieder vollbrachte, ihr zu übermitteln, daß er mehr als gerne bereit wäre, ihre Not zu lindern … Letzten Endes aber konnte sie ihm nicht wirklich böse sein; nicht, solange sie entsprechende Signale verstrahlte wie ein Pulsar. Nun, es würde vergehen; eine Woche, und sie würde ruhiger sein und sich größtenteils mit dem Geist und nicht mehr so sehr mit dem Körper nach ihnen sehnen, ein Verlangen, mit dem man leichter klar kam, zumindest privater, selbst mit einem starken Empathen in der Nähe. Heute werde ich nicht mehr schlafen, das steht fest. Sie zog die Beine an, schlang die Arme darum, entspannte sich und starrte auf das Wasser hinaus.
Fünfunddreißigster Tag
Die Insel schaukelte weiter durch endlose Wogen in täglich neue Gewitter und Regenstürme und in Ungewisse Winde, die an der Landmasse herumschnüffelten oder sie in weit ausladende Zickzackbewegungen versetzte, so daß sie in der Strömung kreuzten.
Fünf Tagesreisen von der Küste entfernt verebbte der Regen, und ihr seltsames Schiff passierte immer häufiger Bruchstücke zerborstener Inseln und Inselchen, Fragmente, die nicht mehr über genügend Masse verfügten, um sich in diesem Wirbel sich widerstreitender Elementargewalten weiterhin ihren Weg bahnen zu können. Manchmal war es selbst auf einer Insel von der Größe der ihren so, als versuche man, auf einem Wurm mit Schluckauf und verdrehtem Orientierungssinn zu reiten. Und was noch schlimmer war - ihr Vorankommen verlangsamte sich bis nahezu zum Stillstand.
Linfyar war unverständlicherweise begeistert von der Instabilität des Erdreichs unter seinen Füßen. Anfangs beunruhigte das Aleytys, da sie sich fragte, wie er schlußendlich wieder mit dem normalen Boden zurechtkommen sollte… Konnte es nicht sein, daß sich seine anderen Sinne - wie auch immer sie beschaffen sein mochten - verwirrten, und daß er so in große Gefahr geriet? Sie blieb ihm einige Stunden fürsorglich auf den Fersen, wohin er auch ging. Der letzte Sturm lag erst seit kurzem hinter ihnen, und die angeschwollenen Wellenberge und die Sturmböen, die die Insel energisch genug kreiseln und schwanken ließen, bereiteten ihr um seinetwillen doch einige Sorge. Doch er bewegte sich sicher wie ein Eichhörnchen. Er tänzelte auf der einen Seite des Mittelhügels hinauf, und auf der anderen wieder hinunter, er schlängelte sich an Bäumen vorbei, rannte hierhin und dorthin, von einem Ende der Insel zum anderen, als brenne eine Energie in ihm, die ihn nicht einen Moment zur Ruhe kommen lassen wolle.
Shadith saß mit gekreuzten Beinen im Gras und ließ müßig ein halbes Dutzend kleiner mausähnlicher Nagetiere auf winzigen Hinterläufen für sich tanzen. Linfyar trabte an ihr vorbei, ohne die tanzenden Tierchen zu bemerken. Vielleicht waren sie zu klein für seine Sinne.
Aleytys ließ sich neben ihr nieder. „Ay-Madar”, hauchte sie.
„Ich hab’ mich noch nie so alt gefühlt.”
Shadith kicherte. Sie nahm eines der weichen, pelzigen Mäuschen hoch und ließ die anderen davonflitzen. Behutsam barg sie das kleine, braune Pelzknäuel in ihrer Handfläche und kraulte es zart. Das Mäuschen streckte sich flach auf ihrer Handfläche aus, und auf dem kleinen, pelzigen Gesichtchen zeichnete sich eine Miene wunschloser Glückseligkeit ab.
„Vielleicht solltest du dich nicht allzu sehr mit ihnen anfreunden. Möglich, daß wir sie essen müssen”, erinnerte Aleytys. „Und damit sage ich nicht, daß ich es könnte
„Ich könnte es nicht. Ich werde bei Fisch bleiben.” Shadith räusperte sich. „Und wenn wir von dieser verflixten Insel herunter sind, werde ich nie wieder Fisch anrühren!”
Aleytys kicherte
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