Die Fallen von Ibex
hatten Flugzeuge und Satelliten, die den Ozean absuchten, doch die machten keine Stürme aus, die nach Merzit unterwegs waren… Merzit, das war der offizielle Name dieses Hafens, obwohl ein paar andere, die ich zu hören bekam, viel bildhafter waren… wenn auch nicht gerade angebracht in einer gemäßigt repressiven Gesellschaft. Wie auch immer, die Leute in Merzit waren in vielem nicht gerade gemäßigt, und in ihrer offiziellen Haltung hinsichtlich Sitte und Anstand erst recht nicht - was sie so Sitte und Anstand nannten. Die Leute, mit denen ich da zusammenlebte, hausten in Spalten und Rissen, Ratten, die in der Dämmerung der Nacht zum Leben erwachten und bei Tage schliefen; ständig in Gefahr, von der Polizei oder den Kirchenvollstrecker erwischt zu werden. Die, die es sich leisten konnten, trugen irgendwo an sich versteckt Fluchtgelder bei sich, manchmal sogar auf mehrere Verstecke verteilt, je nachdem, wie die Zeiten waren, und natürlich kannte jeder die Polizeibeamten oder Kirchenkämpfer, die bestochen werden konnten, und jene, die den Hebel erst recht ansetzten, wenn man es versuchte … oder wenn man davonzulaufen versuchte… oder davonzuschleichen. Etwas, das einem in Fleisch und Blut überging, wenn man dort lebte. Sosehr ich dort auch Neuling war - ich war nicht zum ersten Mal an einem solchen Ort. Es fiel mir nicht schwer, mich anzupassen, und das hat mich davor bewahrt, mich zum Idioten zu machen. Wäre ich damals nicht völlig abgebrannt gewesen, ich hätte niemals dort Station gemacht. Gut. ich hätte mich als Schiffshure anmelden können … Auf die Art und Weise wäre ich ungefähr zu jeder Zeit weggekommen. Aber das war nicht gerade der Traum meiner schlaflosen Nächte. Also habe ich mich entschlossen, mein Glück zu versuchen und mir eine Passage zu verdienen. Da war dieses Viertel der Reichen, und bei all der darauf verwendeten Sicherheitshysterie wollte es mir doch so vorkommen, daß es ein paar kleine Werkzeuge, die ich zufällig bei mir hatte, geradezu herausforderte. In der Zwischenzeit habe ich gesungen; was meinem Bauch sehr recht war.
Im Lauf der Zeit habe ich mir damit ein wenig einen Namen gemacht. Zwei oder drei Monate waren inzwischen vergangen, und ich zog meine Runden um das Haus, auf das ich es abgesehen hatte. Etwa in dieser Zeit veränderte sich das Wetter… irgendwie; es wurde sonderbar, wirklich, und die Leute waren nervös und gereizt, und die Wetterspezialisten gaben erste Warnungen vor einem Sturm, der über das Meer auf uns zuhielt. Und weißt du, was dann passiert ist? Die wichtigsten Leute haben ihre verdammten Häuser geräumt und sind abgehauen, als wäre der Leibhaftige persönlich hinter ihnen her. Wir anderen machten weiter, so gut es ging, und wem es möglich war, brachte seine Kinder weg oder verschwand selbst, und wem es nicht möglich war, verbrachte die meiste Zeit damit, an den Hütten herumzuhängen, die man hier eben Zuhause nannte. Nicht, daß es viel zu tun gegeben hätte, außer auf den Sturm zu warten, den Sturm zu überstehen… und zu hoffen. Ich war damals zu dumm, um zu begreifen, was das ganze Theater sollte. Ich hatte noch nie einen Hurrikan erlebt. Ich hatte davon gehört, aber ich hatte noch nie versucht, mich bei einem in die Mitte zu setzen. Also machte ich mir nicht gerade die größten Sorgen. Ich sagte mir, daß ich das Ganze in einem dieser Festungshäuser der Reichen mit Links überstehen würde … und dazu, während es draußen stürmte, noch genügend Zeit finden würde, die Räumlichkeiten in aller Ruhe zu erkunden … vielleicht sogar genügend einsammeln zu können. Womit meine Abreise von dieser ungastlichen Welt finanziert gewesen wäre. Gut, ich wurde ein bißchen nervös. Da war dieser Kirchenvollstrecker, der etwas gegen mich im Schilde führte… Das sah ich ihm an den kleinen schielenden Augen an, und an der Art, wie er immer in meiner Nähe blieb, ob ich nun sang oder auf dem Markt unterwegs war und frisches Obst oder ein Stück Fleisch einkaufte. Ein großer, hagerer Mann, hohle Wangen, ein Mund, der etwa so freundlich aussah wie der Schnabel eines Krackvogels. Er wurde bereits kahl, und deshalb trug er eine enganliegende Haube, die er niemals abnahm. Er war häßlich und eitel wie Adonis persönlich. Er beobachtete mich, bevor er den ersten Zug machte. Wenn er schließlich zu der Meinung kommen sollte, daß ich gut genug war für ihn, gab es nicht mehr viele Möglichkeiten - entweder, ich mache die Beine breit für
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