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Die Fallen von Ibex

Die Fallen von Ibex

Titel: Die Fallen von Ibex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Jeder, der noch ein bißchen Verstand im Kopf hatte, nahm die Beine in die Hand und verschwand, solange noch Zeit war. Noch würden ein paar Stunden vergehen, bis das Ding an Land kam. Es war so still draußen, daß man die Angst ringsum beinahe hören konnte. Hoch droben zogen Wolken heran, aber es gab keinen Regen, noch immer nicht, obwohl dieses eigenartige Gefühl in der Luft lag, und es war, als könne man einfach nicht genug Luft in die Lungen bekommen, ganz gleich, wie angestrengt man auch atmete, deshalb machte man den Mund auf und biß sich große Brocken davon ab und keuchte, und das reichte aus, jeden zu ängstigen. Allmählich wurde mir ziemlich klar, daß es nicht gerade eine großartige Idee gewesen war, ausgerechnet jetzt krank zu werden.
    Der Regen kam unmittelbar vor Einbruch der Dunkelheit, und damit war wenigstens die Stille vorbei, und das machte alles ein wenig besser, aber ich konnte fühlen, wie diese ganze verdammte Stadt wartete. Dann beruhigten sich die Leute im Rundfunksender ein wenig. Kurz nach Sonnenuntergang kurvte das Zentrum des Sturmes aus der vorherberechneten Bahn ab. Alle fingen wieder an zu atmen, zumindest hier bei uns… Weiter küstenabwärts brach Panik aus, weil alle befürchteten, der Sturm komme zurück. Ich lag in der Dunkelheit und horchte dem Moskitobrummen des Radios, und glaub mir, ich hab’ leichter geatmet, und das beileibe nicht nur, weil die Wirkung der verdammten Drogen nachließ. Ich hörte, wie meine Nachbarn wieder miteinander zu reden anfingen, wie sie sich gegenseitig zubrüllten. Normalerweise war dieser Stadtteil so laut, daß man in den Schlaf geprügelt werden mußte, aber jetzt hätte man meinen können, es wäre eine Totenstadt.
    Ein paar Stunden später, als ich mich gerade in einen perfekten Einbrecher verwandeln wollte, hörte ich draußen ein langgezogenes, trillerndes Kreischen. Ich stellte das Radio wieder an. Der Sturm hatte seine Bahn wieder geändert; sah ganz so aus, als würde er kreisen. Niemand, nicht einmal die Wetterspezialisten, die ein Leben lang mit derartigen Dingen konfrontiert sind, konnten letzten Endes sagen, wo das Ding nun an Land kommen würde. Aber jeder machte sich wieder auf das Schlimmste gefaßt. Ich hörte Türen knallen … Die meisten Mieter aus diesem wackeligen Bau brüllten durcheinander, jeder wollte nur noch weg, alle wollten sie raus aus der Stadt oder doch zumindest die allersichersten Schlupfwinkel aufsuchen, und wehe, wenn sie dort keinen Einlaß finden würden, sie würden es den Kerlen, die sich darin verschanzten, schon zeigen, sie würden die Türen aufbrechen, würden sich Einlaß verschaffen, selbst wenn sie dabei draufgingen, was einigen tatsächlich blühen mochte, aber das war immer noch besser, als diesem Monstrum schutzlos gegenüberzutreten.
    Ich war noch immer der Meinung, daß es für mich die Nacht der Nächte war - die beste Gelegenheit, das Viertel der Reichen heimzusuchen und zu etwas Geld zu kommen, bevor der Vollstrek-ker wieder in Form kam … Ich wollte einen der Obstschiff-Kapitäne bestechen, die in der Kneipe verkehrten, während ihre Schiffe gewartet wurden. Sah nicht danach aus, als würde ich legal wegkommen; es gab zu viele Gesetze, von denen ich nichts wußte, Paragraphen, die verdreht werden konnten, wenn mich jemand mit Beziehungen festhalten wollte. Ich hätte über Land gehen können, wenn es ganz schlimm gekommen wäre, aber das hätte bedeutet, hart reisen und kalt schlafen zu müssen, und ich liebte meine Bequemlichkeit doch sehr. Ich hätte mich von allen gepflasterten Straßen fernhalten müssen. Dort gab es alle paar Dutzend Kilometer Polizei-Kontrollstellen. Die, die in diesem elenden Land an der Macht waren, sahen ihre Untertanen gern an Ort und Stelle… Es gibt immer Möglichkeiten, sich um diese Art von Regeln herumzumogeln, das weißt du, aber leicht ist es nie, ganz im Gegenteil. Viel einfacher, mit einem Schiff abzureisen. Ich war dumm genug, diese Küstenstadt überhaupt aufzusuchen, ich habe gewußt, wie es da zuging, aber da gab es einen Geigenspieler, dem ich zuhören und mit dem ich reden wollte, und noch ein paar andere Leute, die eine ganz neue Art von Musik entwickelt hatten, von der ich als Außenstehende nur Fetzen mitbekam. Also mußte ich meine Nase hineinstecken. Der Geigenspieler lebte nicht mehr, als ich Merzin endlich erreichte; man sagte mir, er habe sich eines Nachts erhängt
    - wahrscheinlich im Delirium, als die Depressionen zu schlimm

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