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Die Fallen von Ibex

Die Fallen von Ibex

Titel: Die Fallen von Ibex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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hat, den Rücken zukehren.
    So gesagt, ans Licht gebracht, statt es unausgesprochen weiter in sich schwären zu lassen, sah sie die Verzerrung in dieser Sicht ihrer selbst, und als sie sie sah, war der Schmerz plötzlich überhaupt nicht mehr so schlimm. Gegen alle Zurückweisungen ihrer Vergangenheit - Cousinen, Cousins, Halbgeschwister, Liebhaber, selbst ihr Sohn - gegen sie alle gestellt war ihre Freude über und ihr Stolz auf das, was sie in den vergangenen Jahren vollbracht hatte, dieses Gefühl, daß sie etwas tat, das es wert war, getan zu werden, und daß sie es gut machte. Wurzeln in Wolff verankert; ihr Schiff; ihr Haus; die Pferde; ihr Job. Und dann war da Grey. Nur Grey, den sie liebte, den sie brauchte - das war real, mußte real sein. Und Shadith. Sie sah auf das Mädchen hinab, das zusammengerollt auf der Seite liegend schlief, eine kleine Faust an den Mund gepreßt. Sie verspürte eine Welle der Zuneigung zu ihr. Und Harskari, als sie sich wieder niederlegte. Und Haupt, Canyli Heldeen.
    Eine wirkliche Freundin. Eine Frau, die Respekt verlangte und wo er verdient war - Respekt zollte, die sich voll und ganz und freimütig ihren Freunden zur Seite stellte, sobald man sich diese ihre Freundschaft verdient hatte. Und Swardheld, der alte Brummbär, der alte Schatz.
    Sie starrte in die Sternhaufen empor, die den Ozean und die Insel mit einem kalten, bleichen Licht erhellten, drehte den Oberkörper weit nach rechts, dann nach links, um etwas Leben in ihr Rückgrat zu bekommen. Es fühlte sich wie ein fester Kreidestift an, und in etwa genauso zerbrechlich. Rechter Hand gab es einen Hauch blasses Rose am Horizont. Die Sonne geht auf, stellte sie fest. Welcher Tag? Sie zählte es an den Fingern ab. Dreiundvierzig.
    Mehr als ein Drittel des Weges, wenn sie der Sturm nicht zu weit zurückgetrieben hatte. Sie fuhr wieder herum, so daß sie der schlafenden Shadith den Rücken und dem Tagesanbruch das Gesicht zuwandte; sehr müde, aber endlich zufrieden. Es gab noch immer Fragen zu beantworten, aber das konnte jetzt warten. Sie gähnte, strich ihre Decke glatt, rollte sich darin ein und schlief im nächsten Augenblick bereits.
    Die Tage vergingen in einem gemächlichen Schaukeln, zäh und monoton, ein Tag wie der andere, dieselben Gesichter, dasselbe Essen, dieselben Bäume, dasselbe Gras und derselbe Boden. Um Streitereien und bittere Auseinandersetzungen zu vermeiden, gingen Aleytys, Shadith, Wakille und Linfyar schließlich dazu über, sich nach den Mahlzeiten zu trennen und- soweit dies die begrenzte Fläche der Insel gestattete - auseinander zu bleiben. Sie steckten kleine Territorien für sich ab und fauchten jeden an, der, ohne eingeladen zu sein, den Fuß darauf setzte. Linfyar machte sich boshafte Streiche zur Gewohnheit - und verschaffte dem so lange unter seinem aufgesetzten Charme verborgenen Groll endlich Luft; er hörte auf, das Schoßhündchen zu sein und wurde zu einer Plage.
    Seine Pfiffe entwickelte er zu einer wahren Meisterschaft, zu etwas Waffenähnlichem, mit dem er Vögel vom Himmel holen und Mäuschen töten konnte, ganz wie ihm danach zumute war. Von Aleytys hielt er sich fern, ein Geist, der sich nur dann und wann mit einem gelegentlichen Pfeifen bemerkbar machte, das ihr durch und durch ging, bis sie glaubte, ihr Gehirn werde in Stücke geschnitten.
    Es wurde schlimmer, je nachdrücklicher sie ihn für seinen Unfug rügte und schließlich bestrafte.
    Eines Tages trieb er die Gyori auseinander und in rasende Panik, daß sie quiekend und bockend davonjagten, über die ganze Insel und beinahe ins Wasser - sie kam gerade noch rechtzeitig, um das Schlimmste zu verhindern, die aufgebrachten Tiere zu beruhigen und ihm den Hosenboden zu versohlen. Doch zuvor mußte sie ihn kreuz und quer durch den Wald jagen, bis sie ihn endlich in die Enge getrieben hatte, ihn übers Knie legen und ihm eine Kostprobe herzhafter Hausmannskost auf den Hintern geben konnte - in Form recht kräftiger Klapse. Dann stellte sie ihn wieder auf die Füße und funkelte ihn an. „Beweg dich nicht vom Fleck, Knirps.
    Sag mal, was ist los mit dir, hat dir ein Gyr weh getan, dich vielleicht gebissen, oder ist dir eines auf den Fuß getreten?”
    Linfyar ließ den Kopf hängen und war ganz Inbegriff jämmerlichen Leidens.
    „Gibt dir das Gefühl, groß zu sein, hab ich recht? Stark? Wichtig? Ich meine, daß du sie verletzen kannst, ohne selbst verletzt zu werden. Das macht Spaß, stimmt’s? Jetzt will ich dir mal was sagen,

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