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Die Fallen von Ibex

Die Fallen von Ibex

Titel: Die Fallen von Ibex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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und sie funkelte das sich hebende und senkende Wasser an, das bis zum Horizont hin wogte, drehte sich dann um und ging steifbeinig den Hügel hinab.
    Hundertundfünfter Tag
    Mit dem Morgen kam die Flut und ein sturmbrausendes Unwetter, das die Insel losriß und übermütig an der Küste entlang weitertrieb.
    Die Regenschauer füllten die Rückhalteteiche wieder auf und spülten den Großteil der zwischen ihnen aufgestauten Reibungshitze fort. Sie waren alle nervös, gereizt und übervoll mit einem Gefühl der Erwartung, so daß es beinahe unmöglich war, sich irgendwie zu beschäftigen.
    Aleytys kochte Wasser ab, langsam, einen Topf nach dem anderen, und füllte die Fischhaut-Badewanne damit; sie wusch sich die Haare, dann ihre Unterwäsche. Sie hielt Wache, während Shadith dasselbe tat. Später zog sie sich auf ihren Hügel zurück, die langen, nassen Haare offen ausgebreitet über den Schultern und der Sonne zugewandt; Sonne - sie wollte soviel Sonne abbekommen wie nur möglich, sie dachte nicht nach, wollte nicht nachdenken; sie war ganz auf das Gefühl der Sonne konzentriert und auf das Spiel des warmen Windes in ihren Haaren. Im Augenblick war ihr völlig gleichgültig, was mit Shadith oder Linfyar passierte (obwohl sie natürlich sehr genau mitbekam, wie sie sich da unten anbrüllten) oder was Wakille plante. Sie zwang ihre umherschweifende Aufmerksamkeit zurück auf das Streicheln des Windes und der Sonne, kostete den salzigen Beigeschmack der Luft, die frisch und rein war, gerade so, als habe sie das Wehen über dem Wasser gefiltert.
    Fliegen summten um sie her, krabbelten in den Schweiß-Rinnsalen, die ihr über Rücken und Gesicht liefen und sich in den Achselhöhlen sammelten. Ihr Kitzeln war ein Ärgernis, ein allgegenwärtiger Juckreiz, bis sie auf ihren dunklen Strom zurückgriff, Feuer in ihrer Hand sammelte und mit einer winzigen Feuerklinge über ihre Haut schabte. Es zischte, winzige verkohlte Fliegenleichen fielen wie Regentropfen in das Gras ringsum, und die Notwendigkeit, dies zu tun, war schnell in eine Art Spiel verwandelt. Sie verfolgte die Fliegen mit einer Konzentration, die sie normalerweise nur bei einem Kampf um Leben oder Tod aufwenden würde. Sie erwischte zwei auf einen Streich und lachte triumphierend. Doch die Fliegenstreitmacht war bald erschöpft, und der Nachschub blieb wohlweislich auf Distanz und stürzte sich schließlich auf die Beine der Seevögel.
    Sie erhob sich und starrte nach Norden. Nach wie vor befanden sie sich weitab vom Land. Esgard war der Meinung, wir müßten mehrere Male auf Grund laufen. Ich weiß nicht… Ich hab’ absolut keine Lust, bis in alle Ewigkeit auf dieser Insel herumzuschaukeln.
    Sie kramte in ihrer Kleidung, fand den Kamm und zog ihn durch ihre langen Haare, zupfte ein paar Knoten aus, fand beiläufiges Vergnügen daran, die Kammzinken auf der Kopfhaut zu spüren.
    Als sie damit fertig war, hielt sie die durchsichtige Unterwäsche hoch, dem Wind entgegen, ließ ihn durchwehen. Trocken und warm und sauber. Sie zog sich an, verließ die von der Sonne gestreichelte Hügelkuppe und ging den sanften Hang hinab und zum Lager; das Gras unter ihren bloßen Füßen war herrlich.
    Hundertundneunter Tag
    Die Insel stieß gegen eine Sandbank, kam vorübergehend knirschend zum Stillstand, riß sich wieder los, zitterte eine kurze Zeitlang voran, prallte von einer weiteren Sandbank ab, schaukelte schwergewichtig weiter, ein blinder Maulwurf, der einem Ziel entgegenschwankte, das er selbst nicht kannte. Sie nahm wieder ihren Ausguck-Platz auf der Hügelkuppe ein und wartete darauf, daß sie etwas tun konnte, irgend etwas; und ihr war vor lauter Frustration nach Schreien zumute. Die Insel war langsamer geworden, bis sie sich kaum mehr voranbewegte; Sandbänke und Gezeiten hatten ihr den Schwung geraubt, und ihre Masse war zu groß, als daß sie von der Strömung allein wieder hätte beschleunigt werden können - so stark diese Strömung auch war.
    Die Farbe des Himmels bot sich wechselweise als grelles Blau bis hin zu einem eigenartig schmutzigen Kupferton, der seinerseits wieder die Färbung des Ozeans veränderte und dessen Blau in ein schlammiges Grün verwandelte. Das seltsam gefärbte Wasser bewegte sich schwer und wie Öl, die Luft wurde drückend und hei
    ßer als je zuvor und war durchsetzt mit Schwefelgeruch. Der Wind legte sich, bis die Luft die Konturen der Insel zu umarmen schien, ohne sich selbst bewegt zu haben. Die Insel glitt schwer dahin, ohne

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