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Die Fallen von Ibex

Die Fallen von Ibex

Titel: Die Fallen von Ibex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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schütteln.
    Die Frauen rührten sich nicht. Warteten. Nichts veriet ihre Anwesenheit.
    Aleytys nahm die Linsen aus dem Fernrohr. Zeit, aufzubrechen, wenn sie sich ein Reittier schnappen wollte. Solange die Eingeborenen mit sich beschäftigt waren, hatte sie ihre große Chance. Sie schob die Linsen in die Hüllen aus weichem Wildleder, verstaute sie in ihren Gürteltaschen, schob das Fernrohr zusammen und steckte es zu den Linsen; dann spähte sie noch einmal auf die Stra
    ße hinaus. Die ersten Reiter waren auf gleicher Höhe mit den Frauen. Sie rührten sich noch immer nicht. Aber ein eigenartiger Triumph, gepaart mit jäher Vorfreude auf den Kampf, strahlte von ihnen aus. „Ich will das nicht sehen”, flüsterte Aleytys, aber sie sah nicht weg.
    Und dann schnellten die Frauen hoch, ein orkanartig über die Männer hereinbrechendes Unwetter, bemalte Pfeile mit Keramikspitzen regneten mit unheimlichem Schwirren durch die Luft und auf die Männer hinab.
    Beim ersten Anzeichen von Gefahr sprangen die Männer von ihren Reittieren - dennoch reagierten die meisten viel zu spät. Sie hatten keine Chance. Drei stürzten schreiend von ihren Tieren, nicht tödlich verletzt, noch nicht; aber das Gift an den Pfeilspitzen wirkte schnell, und die Schreie brachen ab, noch bevor sie auf dem Boden aufschlugen. Zwei schwankten auf den Sattelpolstern, an Gesicht und Armen von Pfeilen gestreift, vom Gift geschwächt, jedoch weit entfernt vom Sterben. Die anderen rettete der Lederpanzer und die Geschwindigkeit.
    Der bemalte Mann blieb unverletzt. Absichtlich, dachte Aleytys.
    Er saß im Sattel, ohne zu begreifen, was ringsum geschah; sein Reittier tänzelte seitwärts weg, schweifte von der Straße ab, entfernte sich von dem Chaos, und er ließ es gewähren, ohne auch nur einmal einzugreifen.
    Die Überlebenden schwärmten aus; schleuderten ihre Speere.
    Mit dumpfem Schwirren zuckten sie zu den Angreiferinnen hinauf.
    Die Frauen tauchten in Deckung. Zwei starben, von Speerspitzen durchbohrt, eine dritte bekam einen Speer durch den Hals und stürzte rücklings den der Straße abgewandten Hügelhang hinunter, Blut spritzte, bis kein Tropfen mehr in ihrem Körper übrig war; die vierte wurde an der Schulter aufgeschlitzt - der Speer war mit solcher Kraft geschleudert, daß er den Lederpanzer der Jacke mühelos durchschlug. Sie stürzte zusammengekrümmt zu Boden; Schaum trat aus ihrem Mund.
    Die Männer, die noch auf den Füßen waren, rissen Kampfstökke von den Sattelhalterungen los und stürmten die Hügel hinauf.
    Zwei weitere fielen, von Pfeilen getroffen. Mehrere erreichten beinahe gleichzeitig die Kuppe - nur um gleich darauf einen überstürzten Rückzug anzutreten. Die Frauen schleuderten die an den Rankenschlingen befindlichen Flaschenkürbisse. Sie schlugen zu Boden, zersprangen, spritzten auseinander; kleine Staubwolken pufften hoch. Die Männer hetzten wie rasend davon, duckten sich unter weiteren Kürbissen weg, wichen aus; und noch immer flogen neue Geschosse heran. Diejenigen, die getroffen wurden, begannen an sich zu zerren und zu kratzen, rotpurpurner Saft brodelte, dampfte, ganze Wolken aus blutigem Dunst schwebten auf sie herab, krochen zwischen Haut und Rüstung. Die anderen Männer griffen erneut an, schwenkten die Kampfstöcke, prügelten neu heranfliegende Kürbisse beiseite oder versuchten sie zum Platzen zu bringen, solange sie noch in Händen der Frauen waren.
    Eine Frau riß die kurze grüne Ranke von ihrem Arm und schlug damit nach dem angreifenden Mann. Sie peitschte durch die Luft, traf seine Schulter; die Frau wirbelte herum, zog die Schlinge um seinen Hals und würgte ihn. Verzweifelt versuchte er die zähe, faserige Ranke mit seinem Steinmesser zu durchschneiden - vergebens. Binnen weniger Sekunden lag er am Boden und zuckte nur mehr schwach. Gleich darauf rührte er sich nicht mehr.
    Das Fluchen und Schreien der Kämpfenden ängstigte die Reittiere; sie scheuten, wichen vor den zerplatzenden Kürbisflaschen zurück und verstreuten sich. In stummer gegenseitiger Übereinstimmung griff keiner der Kämpfenden die Tiere an - es war, als sei der Kampf selbst eine so vertraute wie rituelle Handlung, daß er eher einem komplizierten Tanz glich. Die Geschichte dieser Welt, dachte Aleytys, dieser kaputten Welt. Sie schwang sich aus der Astgabelung und ließ sich geschmeidig hinab. Keine Zeit mehr, weiter zu beobachten. Die Sorgfalt, mit der sie es vermieden, die Tiere zu verletzen, konnte letzten Endes nur

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