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Die Fallen von Ibex

Die Fallen von Ibex

Titel: Die Fallen von Ibex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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gehetzt. Als sich das Mädchen ihr zuwandte, hielt sie den einzelnen Zügel hoch. „Nimm den hier.
    Sieh zu, daß wir in Bewegung bleiben, während ich ein bißchen sondiere.” Shadith fing ihn geschickt auf, nickte, beugte sich tief über den Hals ihres Gyrs und gab ihm die Hacken. Sie wußte, Aleytys’ Gyr würde sich entsprechend anpassen, ohne jedes Drängen von ihr.
    Aleytys hielt sich am Sattelpolster fest und sondierte nach den Reiterinnen. Sie waren wie hinter einer dicken Glasscheibe von ihr abgeschirmt; eine mächtige Barriere. Zwei, drei Berührungen genügten, um Aleytys zu überzeugen, daß sie Ruhe und Zeit und Konzentration brauchen würde, um sie zu durchbrechen; und nichts von alldem stand ihr momentan in allzu großer Fülle zur Verfügung. Sie ärgerte sich über die dumpfe Gleichgültigkeit der Reittiere - und dann wurde ihr Blick wieder leer. So unauffällig wie irgend möglich tastete sie nach einem Durchschlupf in der Barriere … oder nach einem Weg darum herum - und erstarrte, als sie den ekelerregenden Gestank von Haß und glühendem Zorn und brodelnder Macht wahrnahm.
    Eine Aura mörderischer Wut umhüllte die Verfolgerinnen - und sie war in hohem Maß auf Shadith konzentriert, oder vielmehr auf den Körper, in dem sie sich befand. Ein Körper, der ihnen geweiht gewesen war. Ihr Eigentum, sozusagen, gegen sie gekehrt. Sie fröstelte und zog ihren Geistfühler zurück. „Beeil dich, reit voraus!”
    rief sie Shadith zu, packte den Zügel, den sie ihr entgegenhielt, und betrachtete ihre Gefährtin besorgt. Sie trieb ihr Gyr an. Der Gedanke daran, was die Zel Shadith antun würden, wenn sie ihr Geheimnis entdeckten, war unerträglich. „Hau ab! Ich kann uns beide schützen.”
    Shadith nickte, peitschte die Zügelenden gegen den Hals ihres Reittiers und ließ es in einem irrwitzigen Galopp voranhasten.
    Aleytys beruhigte sich ein wenig. Wenn es eine von ihnen erwischte (und das stand beileibe noch nicht fest), dann besser sie. Nicht einmal jetzt, da sie in so unmittelbarer Gefahr schwebte, inmitten ihres Angriffs, umgeben von den Geistfühlern der weißgekleideten Ältesten - oder was immer sie waren
    , berührt von eiskalten Phantomfingern und erschüttert von erbitterten Rammstößen, die gegen ihre Blockade krachten, fühlte sie sich wirklich gefährdet. Tief in ihrem Innersten wußte sie, daß sie aus diesem Schlamassel herauskommen würde, daß sie dieser Haufen zurückentwickelter Eingeborener nicht erledigen würde.
    Falken stürzten sich auf sie herab, hieben mit scharfen Krallen (von denen sie annahm, daß sie mit Gift versehen waren) nach ihr, und sie schlug sie zurück, ließ sie in hilflosem Flattern davontaumeln, zerfetzte mit verheerender Präzision die vielen Geistleinen. Vier, fünf, sechs - ihre Sicherheit erstaunte sie selbst.
    Vor ihr wuchs das Gras in Sekundenschnelle auf doppelte Höhe, zähe Ranken schlangen sich um die Knöchel des Gyrs. Die Ranken der Dornenhecken wucherten in derselben Schnelligkeit und peitschten mit ihren giftigen Stacheln auf sie ein.
    Sie ließ das Gras welken, lenkte die Dornengewächse ab und lenkte ihr Gyr von den Hecken weg, hinauf, auf den unsicheren Boden außerhalb des kultivierten Landes.
    Auf dem unebenen Boden wuchsen die Gräser noch schneller, und die nach ihr schnappenden Ranken waren noch länger und zäher. Die Luft war zum Schneiden dick und pulsierte vor Energie.
    Jeder Atemzug fiel ihr schwer, und noch schwerer war es zu denken. Mücken schwärmten von den Hecken aus und griffen an, Hornissen sausten nervös rings um sie her.
    Das Gyr taumelte, immer neue Grasranken wickelten sich um seine Läufe.
    In einem Sturm der Erbitterung ließ sie das Gras welken, tief in sich selbst geborgen, tief hinabgreifend in ihr Innerstes, entdeckte sie die Grenzen dieses neuen Talents, diese Kehrseite ihrer Heilergabe.
    Das Gyr richtete sich auf, und sie setzte ihre Flucht fort und spürte, wie die Verzweiflung sie zu übermannen drohte.
    Der Angriff hielt sie auf. Shadith gewann mehr und mehr Vorsprung. Hin und wieder sah Aleytys, daß sie zurückschaute, das Gesicht eine Maske aus Sorge und Angst, aber sie wurde nicht langsamer, sie wartete nicht auf sie, und über diese ihre Vernunft war Aleytys wehmütig froh - gerade so, wie sie erleichtert war, das Hauptziel des Angriffs zu sein.
    Luft peitschte auf sie ein, kurze, scharfe Schläge trafen ihren Körper. Sie ertrug sie, beugte sich tiefer über den Hals des Gyrs, besänftigte seine Unruhe

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