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Die Fallen von Ibex

Die Fallen von Ibex

Titel: Die Fallen von Ibex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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schreit lautlos. Sie schließt die Hand zu einer Faust. Die Klinge verschwindet, begleitet vom Stöhnen und Fluchen der Dryaden. Sie wendet ihre Hand, die Fläche nach oben, öffnet die Finger wieder. Eine Flamme tanzt dort. Die Augen auf die angststarren Zauberwesen gerichtet, ergreift sie den Kampfstock, schnippt mit den Fingern der linken Hand und wirbelt die Flamme empor. „Ich weiß nicht, ob ihr mich verstehen könnt”, sagt sie, und sie spricht langsam und sehr deutlich in der Zel-Sprache zu ihnen, denn sie will, daß sie verstanden wird. „Ich will meine Freundin zurück.” Sie legt die Hand über ihr Herz. „Ich will-” Sie deutet auf den leeren Sattel des Gyrs, den die Dryaden längst aufgegeben haben - „ich will meine Freundin zurück.” Sie schnippt mit den Fingern, und die Flamme lodert empor. „Ich will sie zurück, oder ich brenne euren Wald ab.” Und sie zeigt ihnen die Hand mit der Feueraura, schwenkt sie in einem weiten Kreis herum. Die Dryaden weichen zurück und winseln vor Angst. Sie birgt das Feuer in ihrer Faust und läßt die Klinge ein zweites Mal entstehen und tief in einen anderen Baum hineinfahren. „Wo ist sie?” Das Wort hallt unter dem Blätterbaldachin wie das Klirren von Stahl auf Stahl.
    Die Dryaden weichen zurück, werden zu Schemen im Zwielicht des Waldes, scheinen nicht zu begreifen, was sie verlangt. Zorn lodert in ihnen allen, doch ihre Angst ist stärker. Zwei von ihnen jammern und winden sich vor Schmerz; große Brandwunden verunstalten ihre gläsernen Körper. Sie gleitet vom Rücken des Gyr, steht reglos und blickt sich wachsam um; dann setzt sie sich in Bewegung und entfernt sich von ihrem Reittier. Sie versengt einen weiteren Baum, hört/fühlt das Kreischen der Dryade. „Meine Freundin”, sagt sie laut und deutlich, und sie geht weiter, und das Flammenschwert züngelt einem vierten Baum entgegen… und wird zurückgehalten; Aleytys kann sich nicht überwinden, es zu tun. Sie bleibt bei einem der Wurzelkegel stehen, heißt die Feuerklinge in sie zurückzukehren, rammt statt dessen die Spitze ihres Kampfstockes gegen das zerbrechlich scheinende Wurzelwerk. Ein Geruch pufft hoch, der ekelhaft süßliche Geruch alten Todes. Die Metallspitze prallt von den elastischen Wurzelsträngen ab. Zähnefletschend reißt sie den Stock herum und zieht die Klinge über die Wurzeln. Eine zähflüssige rote Feuchtigkeit quillt hervor; die Wurzeln ziehen sich zurück. Der verwundete, verängstigte Baum bewegt sich und schwankt, es ist, als sei der düstere Riese von einem starken Wind ergriffen. Eine Dryade kauert sich in einer Krümmung des Stammes zusammen, starrt sie an, strahlt Schmerz/Furcht/Zorn aus, wobei die Furcht alle anderen Emotionen überlagert. Der Boden unterhalb der Wurzeln ist mit Knochen besät, und Aleytys erkennt sofort, daß es keine Dryadenknochen sind - zu groß sind sie, außerdem von ganz anderer Form, und überhaupt: Haben Dryaden überhaupt ein Knochengerüst? Mehrere verrottende und faulende Körper liegen dort, mehr oder weniger unversehrt, eingesponnen in zarte Kokons aus haarfeinen, bleichen Wurzeln, die aus dem Luftwurzelkegel herabwachsen. Aleytys muß sich auf die Lippen beißen, um die Übelkeit zurückzudrängen. Langsam geht sie näher. Mutanten, denkt sie. Jung, nicht viel größer als eine Dryade. Sie weicht zurück, die Hand jetzt fest auf den Mund gepreßt, Übelkeit in sich, zitternd, kalt vor Angst. Irgendwo in diesem Labyrinth ist Shadith - sie weigert sich, die Konsequenzen dessen zu überdenken. Sie weicht weiter zurück, dreht sich um die eigene Achse. Sie wird beobachtet, sie kann die Blicke spüren. Die Dryaden jedoch sind verschwunden. „Gebt meine Freundin heraus!” schreit sie. „Wollt ihr, daß ich euch alle zu Asche verbrenne?” Die Worte verhallen in endloser Stille. Sie schwenkt den Kampfstock über dem Kopf. „Ich werde euch zerschneiden und verbrennen. Und ihr könnt mich nicht daran hindern.”
    Sie will das nicht tun, allein die Drohung auszusprechen, sorgt dafür, daß ihr schlecht wird, so schlecht wie durch den Geruch der faulenden Körper. Die Dryaden handeln nur ihrer Natur entsprechend. Sie nimmt an, daß sie eher Tiere denn Menschen sind, eher aus Instinkt denn aus Intelligenz so handeln. Vielleicht sind sie vor langer Zeit Menschen gewesen, aber dieses Menschsein liegt bestimmt so lange zurück, daß nur wenig mehr davon übriggeblieben ist als die menschliche Gestalt. Sie verstehen nicht, was sie von

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