Die falsche Frau
Fett isoliert«, sagte sie schnell. »Die Kopfnote …«
»Was?«
»Warte!«
Fast war Sarah bereit gewesen, nachzugeben, doch dann wich sie zurück, zückte ihr Handy und tippte die Nummer von Bruno ein. »Das musst du Karlich erzählen«, hörte sie sich sagen und beobachtete François, der zuerst nur den Kopf schüttelte, aber ein zustimmendes Brummen von sich gab und dann einen mürrischen Laut, der irgendwie nach einem Okay klang.
Die Mailbox sprang an.
»Hallo, Bruno. Es geht um den Fall Orlinger. Ich glaube, wir haben eine heiße Spur …« Sarah sah auf ihre Armbanduhr. »Es ist wichtig, Bruno. Können wir uns gleich treffen? Sagen wir in zwanzig Minuten? Ich bin gleich bei dir.«
Sarah ging ins Schlafzimmer, zog sich aus und kam in einem weißen Burberry-Mantel wieder, dazu trug sie Jeans und bequeme Schuhe.
Fünf Minuten später saßen sie in ihrem Auto. Dummerweise hatte sie François ans Steuer gelassen.
»Willst du mich oder ihn beleidigen?«, fragte sie nach den ersten Metern und tippte auf den Tacho. François ließ ihren Jaguar jetzt erst recht gemütlich dahintuckern. Er warf ihr einen Blick zu, den sie als eine Mischung aus Bewunderung und Verachtung deutete.
»Du weißt nicht was du willst!«, sagte François und drückte aufs Gas.
»Im Gegenteil«, sagte Sarah. »Möglicherweise sind wir einen großen Schritt weiter.«
In Wahrheit fühlte sich Sarah in der Zwickmühle. Einen großen Schritt weiter! Blödsinn! Nicht er, sondern sie hatte es nun mit der Angst zu tun bekommen. Nicht er, sondern sie musste flüchten. Aber verlieren wollte sie ihn auch nicht.
»Wir sollten … wir könnten …«, stotterte sie.
Zum Glück läutete in diesem Augenblick ihr Handy.
Es war Karlich.
»Was hast du denn?«, fragte sie. »Wenn du nicht willst, dass wir zu dir nach Hause kommen …? Ja, mit Satek. Nein … Was?«
Karlich schlug vor, sich im Café Dommayer zu treffen.
Was sprach denn dagegen, sich in seiner Wohnung zu treffen? Merkwürdig, Bruno war so komisch.
Das Café war rappelvoll.
Ein Streicherduo, zwei junge Damen in Rüschenkragen und dunklen Röcken, empfing sie mit inbrünstig vorgetragenen Walzerklängen auf der Violine, vor der Karlich und Aydin in den hintersten Winkel geflohen waren, um die Zeitung zu lesen.
»Guten Morgen, Bruno!«, rief Sarah. »Ist dir der Kaffee ausgegangen?«
»Sarah!« Karlich stand lächelnd auf, schloss den mittleren Knopf seines Jacketts und hauchte einen Handkuss. Er schien bedrückt. »Was gibt’s Neues?«
»Gleich«, sagte Sarah und deutete mit dem Kopf auf François.
Karlich gab ihm die Hand.
»Wie wär’s mit Frühstück?«, fragte der Kommissar in die Runde und bestellte für alle Kipferln, gebutterte Semmeln und Melange.
Semir und François waren schon mitten im Gespräch.
»Dürfen wir vielleicht alle erfahren, worum es geht?«, wollte Sarah wissen.
François räusperte sich.
»Gestern, in den frühen Morgenstunden, war ich noch mal im Orient. Ich konnte nicht schlafen. Es war die Nacht, in der mein bester Freund ums Leben gekommen war. Ich … ich war völlig durch. Wo soll ich anfangen? Der Mord an Irene ließ mir keine Ruhe. Ich wollte Ablenkung und mich noch mal umsehen. Ich meine, die Frau hatte doch Klasse, vielleicht weil sie …«
François stockte und sah in fragende Gesichter.
» … eine dieser Wohlstandstussis war, die es gar nicht nötig hatte. Vielleicht hat ihr Mörder einfach die Falsche erwischt?«
Bei den letzten Worten fixierte er Sarah und hielt inne.
»Die Falsche?«, fragte Sarah, obwohl ihr dieser Gedanke selbst schon gekommen war.
Das war also die Retourkutsche für die Zurückweisung, oder wollte er sie herausfordern? Herrje, jetzt red schon weiter, dachte sie und sah zu Bruno rüber. Bestimmt unterstellte er ihr eine Affäre mit Satek.
Ein Anflug von Schwindel überkam sie, gegen den sie mit einem Schluck Kaffee ankämpfte. Sofort hatte sie wieder so einen bitteren Geschmack im Mund und verrührte Unmengen von Zucker in ihrer Tasse. Der Kaffee war, wie in fast allen Kaffeehäusern Wiens, eindeutig zu stark.
»Ich steh also am Eingang rum«, setzte François wieder an, »mach kurz die Augen zu, warte, da …«
»Sie waren verabredet?«, fragte Karlich ungeduldig.
»Nein, aber irgendwie dachte ich, dass ich der Kleinen noch was schuldig bin. Sie wollte nichts von mir.«
»Sagtest du schon«, warf Sarah ein. Und dann im scharfen Ton: »Die Frau hatte Klasse!«
Einen Moment fürchtete Sarah, er
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