Die falsche Frau
weiter.
»Nichts«, sagte er. »Nichts besonderes.«
»Gefällt mir«, sagte sie und gab ihm einen Kuss.
»Was willst du trinken?«, fragte er, den Geruch in der Nase, der von diesem weichen, kernigen Fruchtfleisch kommen musste, nach dem sie duftete. Wie von einer Passionsfrucht, aber auch wie von frischen Zitrusfrüchten.
»Später vielleicht«, sagte sie.
»Bitte nicht! Ich muss wissen, wie dieses Parfüm heißt«, sagte er schnell.
»Pervers?«, fragte sie keck und legte ihren Kopf in den Nacken.
François lachte.
»Von wem hast du das Parfüm? Lass mich raten. Warte, es ist …«
François hatte seine Finger in ihren Rückenausschnitt gleiten lassen, er wanderte zurück über ihren Hals, über ihr zusammengebundenes Haar und endete auf ihrer Nasenspitze.
»Es ist … Victoria’s Secret, oder?«
Die Frau nickte ungläubig und schnipste zuerst seinen Finger weg, dann seine Nase, die sich ihrem Ohr genähert hatte.
»Woher weißt du das?«
»Pass mal auf, Baby. Zu dir kommt ein Irrer, klar?«
Svetlana nickte.
»Und der ist ganz verrückt … nach diesem Duft. Er will, dass du genauso riechst wie sie, nebelt dich damit ein, fickt dich und denkt dabei nur an sie. Gefällt dir das?«
Svetlana trat einen Schritt zurück.
»Quatsch!«
Sie ist noch ein Kind, dachte er.
Dann packte er sie am Arm.
»Sieh mich an! Ist dir klar, dass du die Nächste sein kannst? Der hat Irene umgebracht. Das ist ein Killer!«
»Was?«
Sie machte ein erschrockenes Gesicht, das sie aber schnell wieder unter Kontrolle hatte. »Der kommt nur, um mir die Haare zu waschen. Der will mich bloß einseifen und mir beim Anziehen zusehen. Heute wollte er die Kaisersuite«, erklärte sie triumphierend. »Er mag das Bad mit den schwarzen Kacheln und den alten Waschbecken. Beim letzten Mal hat er mir sogar die Nägel lackiert. Zum Schluss sprüht er mich immer mit diesem Zeug ein.«
Dann schnüffelte Svetlana an ihrem Handgelenk.
»Hier!« Sie hielt ihm die Hand hin.
»Heute wollte er dabei sogar Opernmusik hören. Der hat extra eine CD mitgebracht.«
»Wie sah der Mann aus?«, fragte François.
Svetlana sah ihn groß an.
»Normal. Eigentlich wie du«, sagte sie und senkte den Blick, »aber irgendwie nicht so kräftig, eher, wie soll ich sagen … feminin. Mittelgroß, schlank, schwarze Haare, aber mit Bart«, sagte sie grinsend. »Könnte genauso gut falsch sein, der Bart meine ich. Der Typ ist immer völlig durchgestylt. Feine Klamotten. Hat sich bedeckt gehalten. Kommt im Anzug und so. Mein Gott, ein harmloser Freier. Das kommt öfter vor. Aber irgendwie ist der so … unecht.«
»Unecht?«
François aber hörte Sarah. Er fühlte Sarah. Er roch Sarah. Wie sie vor ihm stand, wie sie die Augen schloss und sich von ihm füttern ließ. Wie sie ihn geküsst hatte, nur auf die Wange, und er war ein elender Versager gewesen. Sarah, wie sie sich über ihn gebeugt hatte, damals im Krankenhaus. Dieser Duft.
»Und dieser Mann hat dich … dich … nie … gefickt?«, fragte François.
»Nein! Es gibt eben Kunden, die machen Firlefanz, die kommen eben verkleidet. Ziehen sich BHs an, Strümpfe und so weiter. Kann sogar sein, dass es eine Frau war, die sich als Mann ausgegeben hat. Gibt ja genug Verrückte. Zweihundert, wenn du mehr wissen willst«, sagte sie plötzlich mit einem aufgesetzt mitleidigen Gesicht.
»Sieh mal an«, sagte François.
Svetlana hatte ihm inzwischen eine Hand in den Schritt gelegt.
»Pas de problème. Wann kommt der Mann wieder?«, fragte er so gelassen wie möglich.
»Morgen«, sagte Svetlana.
»Wir treffen uns hier in der Bar«, sagte sie. »Um neun?«
François nickte. Dann nahm er ihre Hand, drehte sie um und schrieb ihr seine Telefonnummer auf die Innenfläche.
36
S ARAH WAR MIT K OPFSCHMERZEN AUFGEWACHT und tastete auf die andere Seite des Bettes, auf der normalerweise Georg lag. Der Platz neben ihr war leer. Sie hatte völlig vergessen, dass Georg auf Reisen war.
Und sie ertappte sich dabei, wie sie noch im Liegen auf das Telefon neben ihrem Bett stierte als würde es jeden Moment läuten.
Es läutete aber nicht. Wieso auch? Es war noch verteufelt früh, und um diese Zeit hatte sich Georg sonst auch nie gemeldet.
Die Geschichte mit Patrizia hatte ihr mehr zugesetzt, als sie sich eingestehen wollte. Auch wenn Karlich davon überzeugt gewesen war, dass Patrizia keine Mörderin sein konnte, gab es doch noch einen Rest von Zweifel in ihr, eine Unsicherheit, die sie sich als Analytikerin
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