Die falsche Frau
haben mir versichert, dass ich schön bin«, sagte sie aufgebracht.
»Ja, Sie sind schön«, wiederholte Sarah Rosen, wusste aber sofort, dass sie lieber hätte schweigen sollen.
»Die Art, wie Sie sich auf den Sessel da setzen«, sagte Patrizia aufgeregt. Sie deutete lächelnd auf ein englisches Möbelstück, einen alten Ohrensessel, in dem Sarah Rosen wie jede Stunde Platz genommen hatte und ihr zuhörte.
»Was ist damit?«
»Das Knistern ihrer Seidenstrümpfe. Sie tragen doch welche?«
Sarah Rosen schwieg.
Sie trug fast nie kurze Röcke oder Seidenstrümpfe, wenn sie behandelte, warum also heute? Normalerweise kleidete sie sich neutral, versteckte ihre Figur in klassischen Kostümen, um keine falschen Signale auszulösen.
Sex zwischen Therapeut und Patient ist tabu! Natürlich waren ihr Fälle bekannt, in denen die Grenze überschritten wurde, selbst Jung und Ferenci hatten sich über Patientinnen hergemacht, aber das spielte keine Rolle. Alles, was darauf hindeutete, den festen Rahmen einer therapeutischen Sitzung zu sprengen, jegliches Nachgeben auf das Werben eines Patienten, verstand sie eindeutig als Missbrauch; abgesehen davon war es ein Verstoß gegen die psychologische Ethik. Außerdem handelte es sich bei Patrizia um die Verliebtheit einer Frau, die sie zwar nicht sexuell auf die Probe stellte, aber tiefer berührte, als ihr bewusst war.
»Ich liebe den Augenblick, in dem wir uns in die Augen sehen, bevor die Stunde beginnt, wenn Sie mir die Hand geben. Ich wünschte, es wäre mehr, und wenn dann nichts kommt, dann hasse ich Sie.
Ja, ich hasse sie«, sagte Patrizia und begann von einem Traum zu erzählen, in dem sie sich wieder und wieder abschminkte, aber die Schminke aus ihrem Gesicht nicht verschwinden wollte. Sie kam wieder, sobald sie das Make-up entfernt hatte. Und als sie das sah, musste sie es, exakt so, wie sie es selbst trug, einer Kollegin auftragen, die ihr ähnelte.
»Ein Abklatsch«, sagte sie, »fast wie ein Zwilling.«
Sarah Rosen konnte sich ein genaues Bild von dieser Frau machen, Patrizia war sehr detailliert in ihren Beschreibungen.
Dieselben stufig geschnittenen dunklen Haare, derselbe traurige Gesichtsausdruck und dieselben geschwungenen, buschigen Augenbrauen.
Sarah sah förmlich vor sich, wie Patrizia die vollen und großen Lippen ihres Doubles ausmalte, Wimperntusche auftrug, mit einem schwarzen Kajal arbeitete und die etwas zu groß geratene Nase abpuderte.
»Darauf lachte die andere«, erklärte Patrizia. »Und das Lachen hörte nicht auf. Es wurde zu einem mächtigen und unerträglichem Echo. Ich musste mir die Ohren zuhalten, so laut war es.«
Patrizia inspizierte ihre Therapeutin dermaßen aufdringlich, dass Sarah Rosen unwillkürlich den Blick von ihr abwandte.
»Wie haben Sie sich dabei gefühlt?«, fragte sie.
Einen Moment lang überlegte sie, ob Patrizia vielleicht in eine Krise zu rutschen begann. Dieser starre Blick, diese Nervosität, die Ansammlung von heftigen und widerstreitenden Gefühlen, mit der sie ihr heute begegnete.
Patrizia hatte die Arme um sich geschlungen. Ein Zittern durchfuhr ihren Körper, dann ballte sich ihre rechte Hand zu einer Faust, bevor sie sich wieder entspannte und den Ärmel ihrer Strickjacke zurückschob.
»Ich hatte die Kontrolle verloren. Und ich hatte Angst vor dem, was geschehen würde. Es passieren immer schreckliche Dinge, wenn ich wütend werde.«
Patrizia sah verlegen auf.
»Was für Dinge geschehen denn?«, fragte Rosen. »Erzählen Sie mir davon.«
»Ich …« Patrizia begann nach Worten zu suchen. »Ich glaube, ich war so etwas wie … wie … wie ein weiblicher Dämon, verstehen Sie? Ich habe sie zuerst umarmen wollen, aber dann war alles ganz anders. Ich versteh auch nicht, warum. Sie wollte einfach nicht still sein. Hör auf, schrie ich, hör endlich auf. Das Lachen, wissen Sie? Dieses Lachen!«
Patrizia zuckte mit den Schultern.
»Ehrlich gesagt, ich höre es immer noch. Auch am Tag.«
»Was haben Sie dann gemacht?«, fragte Rosen. »Sie wollten sie doch zuerst umarmen. So wie mich«, fügte sie hinzu.
»Genau«, sagte Patrizia und begann zu schluchzen. Sie war so voller Tränen, dass Sarah Mühe hatte, sie zu verstehen.
»Dann habe ich sie erwürgt. Halten Sie mich jetzt für geisteskrank?«, fragte sie erschrocken.
»Wieso sollte ich?«, antwortete Rosen. »Halten Sie sich denn selbst dafür?«
»Ich wäre lieber verrückt, als dieser … dieser Dämon«, sagte Patrizia.
Dr. Rosen nahm sich
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