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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Mackowski
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OFA-Hotline des Bundeskriminalamtes, an das sich Kommissare wie Karlich wenden, wenn sie eine fallanalytische Beratung wollen.
    Über den Tod ihrer Schwester aber war sie nie hinweggekommen, und insgeheim glaubte sie, dass sie den Tod ihrer Schwester mitverschuldet hatte, weil sie sich für ihr Leben nie sonderlich interessierte. Sarah mochte keine Dramen, jedenfalls keine, die das Privatleben betragen. Vielleicht hatte sie auch deshalb in eine pflegeleichte Beziehung eingewilligt, die ohne beängstigende Gefühle ablief.
    »Georg«, rief sie noch einmal. »Wo bist du denn?«
    Vom Nebenraum drang ein unaufdringlicher Schnarchton an ihr Ohr. Er war also doch da. Kaum zu sehen unter einer hochaufgetürmten Federdecke, entdeckte sie sein dunkles, ergrautes Haar.
    Ein zärtliches Gefühl überkam sie, als sie ihn so friedlich in ihrem Bett liegen sah, und weil sie sofort zu ihm wollte, legte sie ihre Kleider ab, schlüpfte unter die Decke und berührte mit ihrem Gesicht seine Wange. Georg räkelte sich zufrieden. Dann nahm er Sarah in die Arme.
    »Endlich bist du da«, flüsterte er, küsste ihren Hals und ließ sich das Brusthaar kraulen, bis ihre Finger langsam abwärts wanderten.
    »Das Auto ist kaputt«, sagte sie.
    »Wie ich«, raunte er und stöhnte leise, als Sarah noch tiefer griff und mit der Hand sein schlaffes Geschlecht umschloss.
    »Ist doch erst kurz vor neun«, sagte sie. »Wieso schläfst du schon?«
    Es kränkte sie, dass Georg nicht allein deshalb, weil sie neben ihm lag, schon erregt war. Zumindest, wenn sie ihn so berührte, wie sie ihn jetzt berührte.
    »Leider bin ich keine Sonate«, sagte Sarah. »Würde ich aus einer Ansammlung von schwarzen kleinen Punkten bestehen, wärest du vermutlich außer dir«, flüsterte sie.
    Georg drehte sich auf die Seite und ließ sich in die weiche Haut seiner Freundin hüllen.
    »Sarah, du bist unmöglich«, sagte er.
    »Unmöglich?«
    Ihr sanftes Beharren und das Geschick ihrer Hände brachten ihn aber nach und nach doch in Erregung. Schnell kletterte sie über seinen Bauch, saß auf und gab sanft das Tempo vor. Sie fand, dass Georg wieder eine Spur zu passiv unter ihr lag, und langsam, Stück für Stück, steigerte sie den Rhythmus ihrer Bewegungen, während Georg mehr oder weniger stillhielt. Eigentlich hatte er immer nur stillgehalten. Wie zu erwarten, war sein Höhepunkt schnell vorüber.
    Bald darauf hörte Sarah den gleichen Schnarchton wie zuvor. Sie selbst starrte unbefriedigt an die Wand. Irgendwann knipste sie das Licht ihrer Nachttischlampe an, stand auf und nahm ein Buch aus dem Regal, das sie schon lange lesen wollte, aber noch nicht angerührt hatte.
    Robert Byron lag in ihrer Hand, ein sympathischer Dandy mit manischer Begeisterung für den Orient, seine literarischen Zärtlichkeiten, Übertreibungen, Frechheiten. Es war dieses Reisetagebuch aus den dreißiger Jahren mit dem kryptischen Titel Der Weg nach Oxiana, von dem einer ihrer Patienten sogar auf der Couch geschwärmt hatte.
    Oxiana, eine Region, die nach dem mächtigen Grenzfluss Oxus benannt ist, den Alexander der Große 328 vor Christus überquerte, so viel entnahm Sarah noch den Großbuchstaben auf dem Schutzumschlag. Dann musste sie nach ihrer Brille suchen, die sie zwischen einer aufgeschnittenen Papaya in der Obstschale fand und legte sich wieder hin. Schon nach den ersten Zeilen aber verschwammen die Buchstaben vor ihren Augen.
    Wasser wie warme Spucke. Zigarettenstummel, die einem in den Mund gespült werden, und Unmengen von Quallen, las Sarah über Venedig, und eine bleierne Müdigkeit überkam sie.

8
    G EGEN VIER U HR FRÜH KLINGELTE DAS T ELEFON . Schnell griff Sarah nach dem Hörer neben dem Bett und registrierte, dass Georg verschwunden war. Am Apparat war Inspektor Karlich von der Mordkommission.
    »Bruno? Was ist denn passiert?«
    »Entschuldige, dass ich dich geweckt habe.«
    »Hast du nicht«, sagte Sarah erschrocken und war sich nicht sicher, ob sie nun träumte oder nicht.
    »Wir haben eine junge Frau gefunden. Im Volksgarten, zwischen den Säulen des Theseustempels. Eine Leiche mit einer Rose im Mund. Kannst du kommen?«
    »In einer Viertelstunde«, sagte sie und zerrte Hose und Pullover aus dem Schrank.
    »Ist die Leiche identifiziert?«, fragte sie, inzwischen hellwach.
    »Noch nicht«, sagte Karlich.
    Den Hörer zwischen Schulter und Ohr geklemmt, flüsterte Rosen und zog sich so leise wie möglich an. Sie wusste, dass Georg manchmal nachts arbeitete, das war nichts

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