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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Mackowski
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»Vielleicht handelte es sich ja um ein privates Drama, das an die Öffentlichkeit sollte?«
    Alles war Zeichen. Alles stand miteinander in Beziehung. Keiner kann seine Geschichte verleugnen, schon gar nicht dieser Täter, der offenbar wollte, dass man ihm auf die Schliche kam. War es Zufall, dass Emilia Galotti Premiere hatte. Oder übertrieb sie? Warum nicht, dachte Sarah Rosen und begann einen Vers zu zitieren. »Eine Rose gebrochen, bevor der Sturm sie entblättert. Lessing! Er muss sie geliebt haben. Ein Vater vielleicht oder ein anderer naher Verwandter. Ein eifersüchtiger Liebhaber, was weiß ich.«
    Sarah Rosen machte eine lapidare Handbewegung und warf Bruno einen langen Blick zu.
    »Der Täter hat mit Sicherheit perverse Neigungen«, sagte sie. »Vielleicht ein Psychotiker, der ein Familiendrama reinszeniert hat, aber das ist nur eine erste Assoziation. Die meisten sind harmlos und gar nicht in der Lage, zu morden, verstehst du Bruno?«
    »Nicht ganz, aber ich möchte, dass du weitermachst.«
    Sarah Rosen atmete die kühle Luft ein. Sie hatte noch zu wenig Anhaltspunkte.
    »Liebevoll arrangiert«, sagte sie. »Der Täter hat sogar ihre Hände gefaltet. Brav über der Brust. Kann sein, dass er so was wie ihre Unschuld verteidigen wollte.«
    Semir rieb sich mit seinem Zeigefinger an der Stirn, um nicht allzu deutlich zu zeigen, dass er Rosen für meschugge hielt. Eigentlich wollte er ihr einen Vogel zeigen.
    »Schneewittchen«, sagte sie. »Die liegt da wie Schneewittchen.«
    »Und wir, Frau Doktor, wir sind wohl die sieben Zwerge«, sagte Semir. »Ich dachte, Sie hatten gerade noch was mit Lessing am Hut? Was denn nun, Galotti oder Schneewittchen?«
    »Also, gut«, sagte Sarah Rosen und sah in eine Runde schmunzelnder Beamten. »Anders ausgedrückt: der Täter leidet unter seiner Geschlechtsidentität. Ist es tatsächlich ein Mann gewesen, und hat er diese Frau hier womöglich erst nach ihrem Tod gewaschen und geschminkt, was ich mir gut vorstellen kann, handelt es sich um die Identifikation mit ihrer Weiblichkeit, nach der sich derTäter sehnt und die ihn gleichzeitig bedroht. Deshalb tötet er zuerst sein Liebesobjekt, macht die Frau schön, schminkt sie, und weil ihn die Reglosigkeit, das Unlebendige erregt, kann es sogar sein, dass er mit ihr hinterher Sex gehabt hat. Für den Mörder ein Grad der Erregung, den er mit einer lebenden Person niemals erreicht hätte.«
    Semir zuckte mit den Schultern. Die anderen starrten.
    Funkstille.
    »Aber lassen wir das«, sagte Rosen. »Die Frage ist, ob die Frau wirklich hier, am Theseustempel, getötet wurde. Wenn ja, was macht so eine frisch gestylte Frau um diese Zeit und in diesem Aufzug im Park? War sie in Begleitung? Oder war ihr Begleiter der Mörder? Für wen hat sie sich schön gemacht? Mir ist auch völlig schleierhaft, warum sie keine Handtasche bei sich trug, oder haben Sie eine gefunden? Sie muss doch irgendwo Hausschlüssel und persönliche Dinge aufbewahrt haben?«
    »Lass es gut sein, Sarah«, sagte Bruno Karlich plötzlich. »Gehen wir ein paar Schritte?«
    »Gern.«
    Die beiden drehten eine Runde um den Pavillon, ein kleines verrammeltes Kaffeehaus, am Rande des Parks. Kieselsteine knirschten unter ihren Sohlen, und außer dumpfem Stimmengewirr und einem Säuseln, das vom Wind kam, war es ruhig. Das Morgenlicht begann sich langsam zwischen die dürren Äste zu schieben.
    Sarah hatte so viele Fragen. Bruno antwortete nicht.
    »Was soll das?«, rief Sarah in die Stille. »Warum sagst du denn nichts?« Fast hätte sie mit ihm zu streiten begonnen.
    »Jetzt lass das doch erst eine Weile auf dich wirken«, sagte er.
    Sarah war nervös. Insgeheim zweifelte sie an sich. Ob ihr in dieser Sache je ein Licht aufgehen würde? Diese Tote hatte sie seltsam bewegt, aber warum?
    Sarah lief zurück zum Tatort. Bruno kam gemächlich hinterher getrottet.
    »Ihre Stiefeletten sehen nicht billig aus«, sagte Rosen als sie wieder in der Nähe des Theseustempels war. Semir inspizierte gerade die Kleider der Toten.
    »Eine französische Marke namens La Roche, wahrscheinlich nicht in Wien gekauft«, erklärte Semir. »Wir werden dem nachgehen.«
    »Und sonst?«, fragte der Karlich.
    »Außer ein paar Papiertaschentüchern in ihren Taschen haben wir nichts gefunden. Der Mörder legt Wert darauf, uns die Identifikation zu erschweren«, sagte Semir. »Andererseits baut er eine Indizienreihe auf, die äußerst interessant ist. Wahrscheinlich hat er ihre Handtasche oder

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