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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Mackowski
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lange her gewesen sein. Wie lange war das her? Und wo? Es fehlte nicht viel, dann würde sie begreifen. Ein Déjà-vu, eine Täuschung ihrer Sinne, oder doch nicht? Bruchstücke vager Erinnerungen blitzten auf. Eine Frau mit vollen Lippen und schmalen dunklen Brauen, genau wie …
    Bruno hatte sie jetzt bei der Hand genommen.
    »Sarah, was ist denn? Fehlt dir was?«
    »Ich schätze sie zwischen zwanzig und fünfundzwanzig«, sagte Sarah und rieb sich die Augen. Sie wollte sich nur auf die Fakten konzentrieren, dachte aber an Patrizia und an diesen wirren Traum, den sie ihr erzählt hatte.
    »Diese Frau muss äußerste Sorgfalt darauf verwendet haben, sich zu schminken«, fuhr sie schnell fort. »Sie hat sogar Puder im Gesicht. Siehst du?«
    Sarah Rosen deutete mit dem Zeigefinger auf die Nase der Leiche, die etwas zu groß geraten war und dem ebenmäßigen Gesicht dadurch einen eigentümlichen Ausdruck verlieh.
    Dann beugte sich Sarah Rosen langsam über das Gesicht der Frau und roch an ihrem Haar.
    »Frisch gewaschen«, flüsterte sie.
    Sarah hatte das Gefühl, sich selbst gerochen zu haben. Victoria’s Secret, dachte sie. Ein paar Sekunden lang sah sie Karlich entgeistert an.
    »Die riecht ja nach meinem Parfüm! Victoria’s Secret. Ein frischer, leichter Sommerduft. Den gibt’s nur in den Staaten«, sagte sie.
    »Bist du sicher?«, fragte Karlich.
    »Ganz sicher.«
    Irritiert wandte sich Dr. Rosen an den Arzt.
    »Werden Sie das nachprüfen?«, fragte sie mit gesenkter Stimme. »Ich stelle Ihnen gern eine Probe aus meinem Flakon zur Verfügung.«
    »Selbstverständlich, Frau Doktor. Ist ja kein unwichtiges Indiz«, sagte der Mann, ein untersetzter Typ mit wuscheligem Haar, kaum jünger als sie.
    »Wann ist denn der Tod eingetreten?«, wollte Rosen weiter wissen. »Hier, schnuppern Sie mal.«
    Sie hielt ihm ihr Handgelenk hin.
    Der Mann schnupperte. Ein Lächeln huschte ihm über das Gesicht.
    »Gestern aufgetragen«, sagte sie. »Aber immer noch intensiv genug.«
    Der Arzt wurde wieder ernst und zog ein Notizheft aus seiner Manteltasche.
    »Ihr Tod ist mit ziemlich großer Sicherheit vor etwa zwei Stunden eingetreten«, sagte er. »Genaueres wird erst die Obduktion ergeben.«
    »Wer hat die Tat eigentlich gemeldet?«, wollte Sarah wissen.
    »Die Leiterin der Putzkolonne aus dem Burgtheater«, erklärte Semir, die Arme im Nacken verschränkt, und war gerade dabei, ein Gähnen zu unterdrücken.
    »Sie hatte ihren Schäferhund dabei und ihn zum Pinkeln in den Volksgarten gescheucht, als er plötzlich beim Theseustempel ein Wahnsinnsgebell anschlug.«
    Sarah nickte.
    »Das Portal stand offen?«
    Sarah hatte diese betonte Lässigkeit satt, wollte sich aber nichts anmerken lassen und dachte nach.
    Eine prachtvoll inszenierte, schöne Tote an einem prachtvoll schönen Ort. Unglaublich. Was hatte dieses Arrangement nur zu bedeuten?
    »Ich werde darüber ausführlich mit Bruno sprechen müssen«, sagte sie. »Das Ganze ist mir viel zu ästhetisch. Geradezu theatralisch, völlig untypisch für ein Gewaltverbrechen.«
    Dann grübelte sie über einen Fall nach, der Jahre zurücklag. Man hatte eine Leiche zwischen Totenköpfen, Pentagrammen, Grablichtern und Kelchen in einem Eichensarg gefunden. Besonders aufschlussreich waren SS-Runen, eingeritzt in die Stirn der Toten und violett geschminkte Lippen. Es handelte sich um eine satanistische Gruppe von Neonazis, die in einem Bekennerschreiben behauptet hatten, im Auftrag des Teufels gehandelt zu haben.
    Politischer Fanatismus war zwar auch in diesem Fall nicht ganz ausgeschlossen, aber außer den violett geschminkten Lippen, die sie eher an eine junge Punkerin erinnerte, deren Eltern sie in ihre Praxis geschickt hatten, damit sie endlich damit aufhören würde, sich wie tot zu schminken, deutete bei dieser Leiche nichts darauf hin.
    Sarah Rosen sah sich um und ging zwischen den Säulen umher. Was bedeutete dieser Ort? Theseus und die Kentauren. Warum gerade hier? Warum hier im Volksgarten? Und wieso trug die Leiche ein Parfüm, das ausgerechnet aus den USA kam?
    Eine Schönheit lag vor ihr, kaum zu erkennen, dass es sich um eine Tote handelte. Wieder und wieder las Sarah Rosen in ihrem Gesicht.
    »Willst du dir gar nicht ansehen, was er mit ihrem Körper gemacht hat?«, fragte Karlich.
    Er deutete auf ihren Hals.
    Rosen schüttelte den Kopf.
    »Nein, noch nicht«, sagte sie und blinzelte hinüber zum Burgtheater, das sie in der Dämmerung mehr ahnen als erkennen konnte.

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