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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Mackowski
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Paranoia, Amnesie und Übertragung plausibel machen können?
    »Sarah, du musst dich jetzt um diese Frau kümmern. Ihre Stunde sagst du natürlich nicht ab.«
    »Wenn sie überhaupt wiederkommt«, entgegnete Rosen. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass ausgerechnet Patrizia … Nein, ausgeschlossen.«
    Bruno machte ein mitleidiges Gesicht.
    »Schon gut. Meinst du, wir lassen eine Mörderin frei rumlaufen? Wenn ihre Aussage hieb- und stichfest gewesen wäre, hätten wir sie doch in U-Haft genommen, aber so?«
    Sarah Rosen wusste, dass sich die Sache noch eine Weile hinziehen würde und dass sie jetzt nicht nur mehr über ihre Patientin, sondern vor allem mehr über Irene Orlinger in Erfahrung bringen musste. Ob sie wirklich ein Opernfan war?
    Noch während Bruno Karlich nach der Bedienung rief, beschloss Sarah, der Sache selbst nachzugehen. Vielleicht sollte sie sich mal im Hotel Orient umsehen? Aber sie musste aufpassen. Semir konnte sie nicht leiden und würde ihr das am Ende noch übel nehmen.
    »Vielen Dank für die Einladung«, sagte Sarah.
    »Gern«, antwortete Bruno. »Schade, dass es dir nicht geschmeckt hat.«
    »Unter diesen Umständen?«
    »Du hast recht«, sagte er. »Ruf mich an, sobald du was hast, ja?«
    Seine Augen waren zu Knöpfen geschrumpft. Die Anstrengung der letzten Stunden stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    »Jederzeit«, sagte Bruno. »Auch nachts.«
    Sarah nickte. »Hört sich ja an, als ob du dir um mich Sorgen machst.«
    Dann half er seiner Freundin in den Mantel, und als sie vor dem Lokal standen, verabschiedete er sich von ihr mit einem förmlichen Handschlag. So, wie er es sonst nur mit Kollegen oder Fremden tat, und das hatte etwas zu bedeuten.

13
    U-B AHN -S TATION V ORGARTENSTRASSE .
    François raste über Scherben zerbrochener Bierflaschen und folgte dem milchigen Licht, in das ihn der Mond hüllte wie in Tüll.
    Damals war es ein unbedeutendes Tauschgeschäft gewesen, ein Kügelchen Koks, eingeschweißt in rosa Plastik, für das er eine lächerliche Summe Geld bekommen hatte. Er war ein Streetrunner, der seine Ware unter der Zunge trug und wie Kaugummi von einer in die andere Backe schob, um sie irgendeinem fiebernden Kunden auf die Hand zu spucken.
    Auf der Lasallestraße, die einzige Straße, die Wien wie eine Großstadt aussehen lässt, blieb er einen Moment lang stehen.
    Wieder einer dieser Wintertage, die ungewöhnlich warm waren. Wieder dieses federleichte Gefühl einer Täuschung. Hatte er eben nicht eben noch eine Fledermaus an einem Ast baumeln sehen?
     
    Der Cafard kann neun Tage ohne Kopf überleben, dachte François und lief weiter.
    Von irgendwoher aus einem geöffneten Fenster fremde Worte. Serbisch oder Albanisch. Die Vogelhandlung mit schlierigen Fensterscheiben. Das Nähmaschinengeschäft ohne Auslagen, der Euromarkt mit Billiguhren, Billigseife und Billigspeiseöl. Das große altmodische Fenster der Textilienhandlung Mazur mit seinen metallenen, grauen Rollläden.
    Die Welt war eine einzige Aufzählung und zog vorbei, als hätte sie es eilig von ihm wegzukommen.
    Dann der Mexikoplatz, auf dem sich tagsüber Polen, Tschechen und Slowaken in qualmenden Autobussen versammelten und Devisen tauschten.
    Jetzt strahlte er verdächtige Ruhe aus.
    Kaum zu glauben, dass hier der Handel mit Kaffee und Imitaten von Rolex-Uhren blühte, dass Wohnungsspekulanten vor Haustüren warteten, die Substandardwohnungen in verkommenen Altbauten zu Wucherpreisen an Familien aus der Türkei oder dem ehemaligen Jugoslawien vermieteten oder junge Mädchen mittags am Straßenrand Kundschaft heranwinkten und Kebab-Köche in illegalen Lokalen das nächste Geschäft auskochten.
    François sah auf die Uhr. Fast neun.
    Katzan würde ihn doch nicht im Stich lassen?
    Unter dem Eingangsportal eines Tabakladens zündete er sich eine Zigarette an und inhalierte den Rauch mit zusammengekniffenen Augen. Den Rücken an die Wand gelehnt, sah er in den mächtigen Himmel. Der Wind riss Wolken in Fetzen. Kurze Blitze mitten im Winter.
    Plötzlich spürte er Finger auf seinen Schultern und einen vertrauten Geruch im Nacken. Er nahm die Finger in seine Hand, hielt sie eine Weile lang fest, machte zwei Schritte auf die Straße und so ging er mit dem anderen ohne ein Wort zu sprechen im Gleichschritt nebeneinander her.
    Kurz vor Charly’s Beisl brachen die beiden endlich ihr Schweigen.
    »Auf einen Drink?«, fragte Katzan, sprang über drei Stufen und stand schon halb im Lokal.
    »Auf einen Drink«,

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