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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Mackowski
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angebrochenen Flasche Trinkjoghurt, fand sie einen alten Haarreifen. Genau das richtige Instrument für einen Einbruch, dachte sie, bog den Reifen auseinander, bekam damit den Hebel zu fassen und brachte ihn schließlich in die richtige Position. Dann kletterte Vera auf den Fenstersims, drückte den Fensterflügel nach innen und sprang in die Küche. Schnell, die Mülltonne, dachte sie, lief zur Haustür, legte die Fußmatte dazwischen und stürzte wieder nach draußen, um das Ding zurück an seinen Platz zu stellen. Erleichtert darüber, dass alles glatt gelaufen war, ging sie zurück in die Wohnung und zog langsam ihre Cowboystiefel aus.
    Wenn ich dich nicht hätte, sagte sie sich und grübelte, ob Brit jetzt wohl schlafen würde oder in Gedanken mit ihr mitging. Vorbei an den braunen Wänden, vorbei an zwei Haken im Flur, die wie ausgefahrene Klappmesser hervorstachen.
    Vera stand vorm Badezimmer. Die Tür stand offen. Sie zündete ihr Feuerzeug. Der Boden war abschüssig. Eine winzige Nasszelle mit gelbem Duschvorhang, der von einer rostigen Stange runterhing und sich leicht bewegte, als sie eintrat.
    Weil sie fürchtete, dass sie jemand von der Straße aus sehen könnte, machte sie die Flamme wieder aus und kroch auf allen Vieren in Richtung Wohnzimmer. Dort angekommen, ertasteten ihre Hände Erhebungen, Muster einer knirschenden Billigauslegeware. Dann richtete sie sich halb auf, ahnte ein blaues Sofa und geschwungenen Füßen und befingerte steife Paradekissen, auf die jemand mit der flachen Hand eingeschlagen haben musste, damit sie dickbäuchig und oben spitz zusammenliefen. Hinten erkannte sie eine Vitrine, darin kleine Bierkrüge mit Deckeln zum Aufklappen, Wimpel und Fahnen mit der Aufschrift Rapid.
    Wo sollte sie anfangen? Sie beschloss, zuerst nach der Waffe zu suchen, mit der François in der Nacht den Schuss abgegeben hatte, und sah sich um. Der Boden knarrte. Vera erschrak, wartete kurz, zog den Fuß zurück und umging dann die Stelle.
    Vor einer angelehnten Tür, die einen Zentimeter breit offen stand, machte sie Halt. François’ Schlafzimmer. Vorsichtig schob sie die Tür auf, sah ein aufgewühltes Bett, eine Nachttischlampe und einen Rucksack. War sie wirklich allein?
    Vera bekam Angst, fühlte, wie sich der Raum weitete, wie die Konturen verschwammen und das Bett waberte.
    Vera ließ sich mit einem Plumps auf das altmodische Ding fallen, atmete tief durch und suchte das Bett ab. Aber da war nichts. Keine Waffe, keine Drogen. Unter dem Kopfkissen fand sie ein Buch.
    Baskische Küche. Vera blätterte. Manche Seiten hatten Kleckse bekommen, Fettspritzer und Soßenflecke.
    Paella. Gegrillte Calamari. Pilzragout. Im hinteren Teil des Kochbuchs fand sie einen handgeschriebenen Brief. Vera hielt sich den Brief dicht vor die Nase. Er roch nach Zwiebeln. Dann zündete sie wieder ihr Feuerzeug, schirmte den Strahl mit ihrem offenen Mantel ab und las.
    Ma chère Yvonne!
    Was folgte, waren rührende Zeilen. Worte, die François an ein Kind gerichtet hatte, das ihm sehr nahe stehen musste. Vera fühlte, dass ihr Tränen in die Augen schossen. Ausgerechnet hier, in dieser Wohnung, die plötzlich zu sprechen begonnen hatte, um sie an etwas zu erinnern, das sie fast schon vergessen hatte. Dass sie kein Glückskind gewesen war wie Yvonne, kein strahlendes Sonntagskind, das schöne Briefe bekam. Vera schluckte. Dann klappte sie das Kochbuch zu und legte es zurück.
    Immer noch war sie im Mantel und hatte den Schal fest um den Hals gewickelt. Auf ihrer Stirn hatten sich Schweißperlen gebildet. Vielleicht hat er eine Tochter, dachte sie, und eine Flut von zärtlichen Gefühlen überkam sie, gerade sie, die sich normalerweise nicht viel um das Seelenleben von Männern scherte. Männer, die einzig und allein dazu da waren, ihren Fanatismus für Orgasmus in Schwung zu halten.
    Neugierig öffnete Vera eine Schublade.
    Das Nachtschränkchen neben dem Bett sah funkelnagelneu aus. Ein zierliches Ding ohne Schrammen und Macken. Alte Zeitschriften, ein Taschenspiegel, eine Schachtel schwarzer Gitanes und ein seltsames Abzeichen kamen zum Vorschein.
    La granade a sept flammes, die siebenflammige Granate. Der Mann war also Legionär.
    Vera seufzte. Mit zitternden Händen tastete sie den Boden der Lade ab, die sie fast ausgeräumt hatte, fuhr mit der Innenfläche über die Seiten und fühlte weit hinten etwas Glattes. Dann hielt sie einen Stoß Fotos in den Händen und ließ sich auf das Bett zurückfallen.
    Ein kleines

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