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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Mackowski
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AN DEM I RENE O RLINGER ZU Grabe getragen werden sollte, war herrlich. Die Sonne hatte Jogger an die Luft gelockt. Zehn Grad plus und keine Spur Wind.
    Kaiserwetter, wie die Wiener zu sagen pflegen.
    Sarah Rosen zog ihr dunkelblaues Donna-Karan-Kostüm an und fuhr in Richtung Taborstraße, um Karlich von einem Termin abzuholen.
    Die Trauerfeier sollte um dreizehn Uhr in der Kapelle vom Hietzinger Friedhof stattfinden.
    Nach zehn Minuten fand Sarah direkt vor der Karmeliterkirche einen Parkplatz. Aus irgendeinem Grund rechnete sie damit, dass sich der Mörder, vielleicht sogar sein Nachahmer, unter die Trauergemeinde mischen würde.
    Die Angehörigen wollte sie als erstes unter die Lupe nehmen.
    Sarah wischte sich die schweißnassen Hände an ihrem Rock ab und sah auf die Uhr. Kein Grund zur Hektik. Dann griff sie nach ihrer Handtasche, stieg aus und schlenderte langsam über den Platz vor der Kirche. Vögel schreckten auf, als sie näher kam und gedankenlos über einen Haufen Brotkrumen lief, nach dem die Tiere um die Wette gepickt hatten. Sie dachte an Georg, der sie jeden Morgen anrief und mit Freundlichkeiten weckte, die sie den Tag über begleiten sollten. Heute früh hatte er sich aus Luxemburg gemeldet, den Hörer beiseite gelegt, ans Klavier gesetzt und ihr ein paar Takte Scarlatti vorgespielt. Sie war nervös gewesen, konnte nur mit halbem Ohr zuhören, obwohl die Feinsinnigkeit seines Spiels, das er die letzten zehn Jahre einzig und allein der Liedbegleitung opferte, bestechend war.
    »Georg!«, rief sie versehentlich und sah Bruno schon von weitem auf einer Bank sitzen. Zum Glück hatte er sie nicht gehört und hielt mit geschlossenen Augen das Gesicht in die Sonne.
    Erst als sie dicht vor ihm stand und ihr Schatten auf ihn fiel, blinzelte er und streckte dann beide Arme nach ihr aus.
    »Du wirst jeden Tag hübscher.«
    »Gibt’s was Neues?«, fragte Sarah schnell.
    Bruno zuckte mit den Achseln.
    »Wie man’s nimmt, vielleicht hast du dir das selbst auch schon gedacht.«
    »Was denn?«
    »Es ist ziemlich sicher, dass jemand die Leiche von Claire ins Belvedere geschleppt hat, um eine bestimmte Spur zu legen. Alles sollte so aussehen wie im Fall Orlinger. Sogar die Rose hat der Täter nicht vergessen und ihr zwischen die Lippen gelegt. Fälscher und Original müssen sich kennen!«
    Während Bruno redete, tippte er mit dem Zeigefinger auf den Kragen ihrer Bluse.
    Sarah bekam ein schlechtes Gewissen. Ihre gespielte Biederkeit, die Tarnung, die sie heute an den Tag legen wollte, flog also auf?
    Bruno Karlich räusperte sich. Die Gelassenheit, die von ihm ausging, verunsicherte sie. Auf der Fahrt zum Friedhof war er viel zu schweigsam.
    »Wir machen uns Sorgen«, sagte er endlich, als sie sich Schloss Schönbrunn näherten. »Bei uns im Präsidium stimmt was nicht. Ich vermute, dass wir einen Maulwurf haben. Die Sache mit Dimitri Kovac stinkt irgendwie. Wie ist der zu einer Waffe gekommen?«, sagte Bruno mit gedämpfter Stimme.
    »Aber da hat euch diese Journalistin doch ziemlich auf die Sprünge geholfen«, sagte Sarah.
    »Du meinst Vera Kirchner?«
    »Genau die.«
    »Auch so eine.«
    »Was für eine?«, fragte Sarah.
    »Eine, die Satek verfallen ist. Jedenfalls hat das Semir behauptet. Ihr Frauen fallt immer wieder auf dieselben rein.«
    Sarah Rosen schaltete schweigend in den zweiten Gang und bog in die Maxingstraße ein.
    »Darf ich?«, fragte Bruno mit einem steifen Blick zur Seite und zog eine Virginier aus einem altmodischen Etui.
    »Du darfst«, sagte Rosen.
    »Semir ist nicht gerade gut auf Leo Schmidt zu sprechen«, sagte Bruno.
    »Interessant. Sehr interessant. Ist Schmidt eigentlich ein Frauentyp?«
    »Wieso fragst du?«
    »Vielleicht heuert er Frauen wie Irene Orlinger an, die normalerweise gar nichts mit dem Milieu zu tun haben. Oft sind es Frauen, die Waffen oder Drogen transportieren, und wenn es zu einer Razzia kommt, sind sie Meister im Verschwindenlassen von Beweismitteln. Wer weiß, was Irene für eine Geschichte mit Kovac laufen hatte.«
    Bruno Karlich lachte auf. »Natürlich, das gibt’s alles. Aber vor allem in James Bond-Filmen. Deine These mit den Familienbanden, irgendeine Verbindung der Opfer zu einer nahe stehenden Person, die sie als Tote zur theatralischen Heiligen überhöhen, die leuchtet mir jetzt wesentlich besser ein, obwohl ich zwischendrin ziemlich skeptisch war.«
    »Väter als Täter«, sagte Sarah. »Ein großer Teil der Prostituierten ist als Kind missbraucht worden.

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