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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Mackowski
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Frau Orlinger am Grab ihrer Tochter. Frau Orlinger, die zusammenbricht. In Patrizia müssen widerstreitende Gefühle hochgekommen sein. Die Hassliebe zu ihrer Mutter. Vielleicht hatte sie sie als Teenager so sehen wollen, so gebrochen und verzweifelt. Sie muss ihr den Tod gewünscht haben, dachte Sarah Rosen, und nachdem das Schicksal den Wunsch in die Tat umgesetzt hatte, hielt sie sich nun für eine Mörderin. Der Selbstekel Patrizias während der Therapiestunden war unübersehbar. Das Geständnis bei der Polizei nur der Gipfel ihrer Verachtung.
    Es musste doch Verbindungen zwischen Patrizia und Irene geben, zwischen ihren Lebensgeschichten, irgendein Unbewusstes, das sie einander ähnlicher machten, als sie selbst ahnten.
    Sarah war noch nicht klar, wieso sich ausgerechnet Irene mit Patrizia anfreunden wollte, aber sie würde es herausfinden.
    Frau Orlinger saß auf einer Bank, eine zierliche Handtasche auf ihrem Schoß, eine zweite, größere Tasche, die wie eine Einkaufstüte aus Stoff aussah, zu ihren Füßen. Sie hatte sich für die Bank an der Friedhofsmauer entschieden, als würde ihr diese Mauer, gegen die sie ihren Kopf lehnte, Schutz bieten können. Ihr Mann, der mit Oberlippenbart und lichtem Haar deutlich älter wirkte als seine Frau, gab ein gelegentliches Nicken von sich.
    Sarah ging auf die Bank zu. Als sie nahe genug war, wollte sie etwas sagen und formulierte den Anfang einer Beiläufigkeit. Karlich, der bei dem Paar stand, unterbrach sie aber mit einer Handbewegung und schob Herrn Orlinger ein paar Schritte weiter.
    Die Frau stemmte darauf einen Stiefel gegen die Tasche, die am Boden stand, und blickte kurz auf. Ihr Gesicht wirkte leer und fahl. Die verlaufene Wimperntusche hatte unter den Augen einen schwarzen Rand gezeichnet. Der fragende Mund stand halb offen.
    »Ich bin Sarah Rosen. Fallanalytikerin in diesem Mordfall.«
    Eine Hand streckte sich ihr entgegen.
    »Helene Orlinger,« sagte sie. »Sind Sie von der Polizei?«
    »J-ein«, antwortete Sarah und musterte die schmächtige Gestalt. Die Frau hatte Angst, ihr Blick flatterte.
    »Im Wesentlichen arbeite ich mit Menschen, die zu mir in die Praxis kommen und helfe ihnen bei ihren psychischen Problemen. Geht es Ihnen wieder … besser?«
    Die Frau gab keine Antwort, fingerte eine Zigarette aus ihrer Handtasche, die sie auf eine Zigarettenspitze steckte und inhalierte den Rauch so tief wie sie nur konnte.
    Sarah Rosen sprach weiter. »Daneben helfe ich der Polizei bei den Analysen von Verbrechen, so wie in diesem Fall, vielleicht ist sogar eine meiner Patientinnen darin verwickelt.«
    »Sie meinen die Verrückte, die vorhin abgehauen ist?«
    Sarah nickte.
    »Eine Freundin von Irene?«
    Sarah zuckte mit den Schultern. Dann setzte sie sich zu ihr auf die Bank. »Ich weiß, was es heißt, einen Menschen zu verlieren. Meine eigene Schwester ist umgebracht worden.«
    Helene Orlinger hob ungläubig den Kopf und sah Sarah direkt ins Gesicht. Dann schlug sie einen rauen Ton an und schnipste die Asche zur Seite.
    »Und? Haben Sie es hinnehmen können?«
    Sarah Rosen versuchte so persönlich wie möglich zu antworten, obwohl das sonst, wenn sie sich als Therapeutin äußerte, gar nicht ihre Art war. »Eine Erklärung gibt es für alles«, sagte sie, »aber begriffen habe ich bis heute nicht, wie es passieren konnte.«
    »Sehen Sie«, sagte Helene Orlinger und blies Ringe in die Luft.
    Sarah schluckte.
    Für ihre Schwester konnte sie nichts mehr tun, aber vielleicht könnte ihre Geschichte eine Brücke schlagen zu dieser Frau.
    »Ihr eigener Freund hat zuerst sie und dann sich selbst erschossen«, erklärte Sarah und schloss die Augen. »Er war krankhaft eifersüchtig, und ich wusste es. Es gab genug Vorzeichen, die darauf hindeuteten, dass er eines Tages ernst machen würde.«
    »Meine Tochter hatte aber keine krankhaft eifersüchtigen Verehrer, nicht mal einen festen Freund.«
    »Ihre Tochter war äußerst attraktiv und wahrscheinlich für jemanden, der sie unbedingt wollte, unerreichbar«, sagte Sarah Rosen. »Der Mörder hat doch sogar eine Botschaft ewiger Liebe zwischen ihren Lippen gesteckt. Eine rote Rose.«
    »Liebe?«
    Sarah öffnete die Augen wieder und sah, dass Helene Orlinger ihren Mund zu einer schmalen Linie verzogen hatte. Die Trauer war in Bitterkeit umgeschlagen.
    »Die ist anschaffen gegangen«, sagte sie heiser.
    »Davon wussten Sie?«
    »Ja, natürlich wusste ich es.«
    »Darf ich Sie … dürfte ich Sie bitten … mir mehr darüber

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