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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Mackowski
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Den Vater von Irene werden wir uns bei der Beerdigung mal genauer ansehen müssen.«
    »Bürgerliches Trauerspiel«, sagte Karlich, »aber irgendwie kommt mir das noch zu simpel vor.«
    Sarah riss die Sonnenblende runter und sah wütend zur Seite, obwohl es doch ihre Idee gewesen war, den Verwandtschaftsverhältnissen, diesen Bündnissen ewiger Liebe, auf die Schliche zu kommen. »Zu simpel? Denk doch mal weiter. Emilia Galotti heute, was wäre das für eine Frau? Vielleicht nicht gerade das Opfer von bürgerlichen Tugenden, von Ehre und Unschuld wie zu Zeiten Lessings, aber möglicherweise eine Frau mit einem dunklen Geheimnis, das ihr Leben bedroht.«
    Eine hohe Mauer säumte den Friedhof, die sie vom Hietzinger Platz bis zu dem Seiteneingang begleitete. Engel aus Stein lugten hervor, das Glasdach eines Gewächshauses und Spitzen von Kreuzen und Zedern, die allmählich verschwanden, je höher sie den Berg hinauffuhren.
    Der Wagen kroch die Maxingstraße hoch und hielt auf dem Seitenstreifen gegenüber der Grabsteinfirma Wiedhalm & Cie.
    Weiter unten parkten zwei bemannte Streifenwagen mit blinkenden Lichtern.
    »Was soll dieser Aufwand?«
    »Frag nicht«, sagte Bruno, stieg aus und öffnete Sarah die Tür. »Reine Sicherheitsmaßnahme.« Dann passierten sie das hohe Tor. Ihr Blick fiel auf pompöse Mausoleen am Horizont des Friedhofs.
    »Wie kommt eine Frau wie Irene Orlinger auf diesen prominenten Friedhof?«, fragte Karlich. »Soviel ich weiß, ist das die Ruhestätte von Gustav Klimt und anderen Berühmtheiten.«
    »Richtig«, flüsterte Sarah, »und jetzt ist auch sie berühmt.«
    Karlich schüttelte schweigend den Kopf. Drinnen, in der Kapelle sickerte Licht durch die bunten, hohen Fenster und tauchte das Gebäude in Pastelltöne. Zwei Jahrzehnte waren vergangen, seit Sarah Rosen ihre Schwester verloren hatte, doch die Wunde öffnete sich wieder, als sie den Sarg vor dem Altar sah, auf dem eine hohe, weiße Kerze brannte. Dunkle Bilder zogen in ihrem Inneren vorbei. Ihre Schwester in einem kurzen weißen Hochzeitskleid. Ein schulterlanger Schleier. Ihr Lächeln. Der Schuss, der sie getroffen hatte. Blaulicht und die Sanitäter, die zu spät gekommen waren.
     
    Der Pfarrer trat auf, kniete nieder und bekreuzigte sich. Ministranten legten Blumen auf den Sarg. Für einen Augenblick herrschte absolute Stille, dann hörte man Flüstern und Weinen.
    Sarah schluckte.
    »Erster Korinther, Vers dreizehn. Wenn ich die Sprachen aller Menschen spräche und sogar die Sprachen der Engel kennte, aber ich hätte der Liebe nicht …«
    Sarah blickte durch einen Tränenschleier nach vorn.
    » … dann wär alles umsonst.«
    Gerade aus Liebe war alles umsonst gewesen, dachte Sarah. Niemand hatte vom Liebestod gesprochen, dem ihre Schwester zum Opfer gefallen war. Der Singsang des Pfarrers, der in seiner Ansprache nicht ein einziges Mal das Wort Mord über seine Lippen gebracht hatte, war nervtötend, das Aussegnen des Sarges reine Routine. Am Schluss rezitierte jemand einen selbstverfassten Reim, dessen Sinn nicht zu verstehen war. Was gab es auch zu verstehen?
    »Kannst du genug sehen?«, fragte Bruno.
    Aus Diskretion hatte er mit Sarah weiter hinten Platz genommen.
    »Ja doch«, flüsterte sie und stupste ihm ihre Antwort mit dem Ellenbogen in die Seite.
    Die Orgel spielte eine dünne Hymne. Eine Frau, die ganz vorn saß, begann leise zu schluchzen. Sarah Rosen sah, wie sie sich nach vorne beugte und sich ein weißes Taschentuch auf den Mund hielt.
    Neugierig blieb ihr Blick an der Frau hängen, die ihren Kopf von Zeit zu Zeit zur Seite fallen ließ, um sich dann blitzschnell umzusehen.
    »Ist das nicht Patrizia Heral?«, flüsterte Sarah. »Was macht die denn hier?«
    Bruno Karlich seufzte. »Ich hoffe, nicht wieder eine Szene.«
    Patrizia hatte sich mit einer Sonnenbrille unter die Gäste gemischt. Ihre Hände steckten in einem Muff, die sie ruckartig hervornahm und faltete, als der Organist Schuberts Ave Maria anstimmte. Bruno Karlich sah ungeduldig auf die Uhr.
    »Sind das die Eltern?«, raunte Sarah und deutete auf eine unscheinbare Frau.
    Karlich nickte.
    »Dann sitzt Patrizia neben der Mutter von Irene«, sagte Sarah.
    Die Sargträger hoben den Sarg hoch, die Prozession bewegte sich Richtung Tür.
    »Halt du dich an die kleine Märtyrerin«, sagte Karlich. »Ich werde mich um den Vater von Irene kümmern.«
    Sarah Rosen nickte und beobachtete, wie Patrizia Heral ihren großen, schwarzen Hut tiefer ins Gesicht zog. Ihr

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