Die falsche Tochter - Roman
Veronica-Lake-Abklatsch. Ein Stirnband machte sie zu einer Mischung aus Hippie und Piratenbraut. Das war nicht ganz der Effekt, den sie sich wünschte. Obwohl sie wusste, dass sie es wahrscheinlich bereuen würde, begann sie an ihren Haaren herumzuschnippeln. Es würde zwar lange dauern, bis die Haare wieder nachgewachsen wären, aber für den Augenblick erfüllte der Pony seinen Zweck. Wenn sie jetzt noch Sonnenbrille und Hut aufsetzte, würde niemand etwas von der mittlerweile in sämtlichen Regenbogenfarben schillernden Pracht sehen. Callie lag nichts daran, auf ihrem Ausflug Aufmerksamkeit zu erregen. Sie hatte beschlossen, zu Treasured Pages zu fahren, worum Doug sie gebeten hatte. Außerdem war sie selbst gespannt darauf, ein weiteres Mitglied der Familie Cullen kennen zu lernen.
Während sie auf der Main Street nach einem Parkplatz für Rosies riesigen Jeep Ausschau hielt – sie hatte sich den Wagen
geliehen, um nicht mit ihrem verschmierten Landrover in die Stadt fahren zu müssen –, fragte sie sich, wie sie den alten Knaben begrüßen sollte. »Hey, Grandpa, wie geht es?«, erschien ihr nicht besonders passend.
Sie rangierte den Wagen vor und zurück und verfluchte die hohen Bordsteine. Schließlich gelang es ihr, den Jeep zwischen einem Pick-up und einem Kombi einzuparken. Schweißgebadet und leicht verlegen stieg Callie aus und machte sich auf den Weg zu dem Buchladen.
Als sie eintrat, sah sie eine Frau, die am Ladentresen stand, und dahinter einen Mann mit wirren grauen Haaren und einem weißen Hemd mit messerscharfen Bügelfalten. Als er Callie erblickte, brach er mitten im Satz ab und machte ein Gesicht, als drücke ihm jemand den Hals zu.
Die Kundin drehte sich um und warf stirnrunzelnd einen Blick auf Callie. »Mr Grogan? Geht es Ihnen gut?«, fragte sie.
»Ja, ja, es ist alles in Ordnung. Entschuldigung, Terri, ich war mit meinen Gedanken woanders. Ich bin gleich bei Ihnen«, rief er Callie zu.
»Ist schon okay. Ich schaue mich in der Zeit ein wenig um.«
Während sie die Buchrücken betrachtete, lauschte sie mit halbem Ohr auf die Unterhaltung hinter ihr.
»Die Bücher sind sehr hübsch, Terri. Aber Sie wissen doch, dass Doug oder ich auch zu Ihnen gekommen wären, um sie uns anzuschauen.«
»Ich dachte, ich bringe sie vorbei, damit Sie mir ein Angebot machen können. Tante Francie hat ihre Bücher geliebt, aber ich habe einfach keinen Platz dafür, seit sie tot ist. Und ehrlich gesagt könnte ich das Geld gut gebrauchen – falls die Bücher etwas wert sind.« Wieder warf sie Callie einen Blick zu. »Pete hat nicht viel Arbeit im Moment. Das hier ist einiges wert, nicht wahr? Schließlich hat es einen Ledereinband.«
»Wir nennen so etwas Halbleder«, erklärte er, wobei er sich bemühte, Callie nicht bei jeder Bewegung mit den Augen zu folgen. »Sehen Sie, das Leder geht vorn und hinten noch etwa
zehn Zentimeter über den Rücken hinaus. Der Rest ist in Leinen gebunden.«
»Oh.«
Als die Kundin ihn enttäuscht anblickte, tätschelte er ihr die Hand. »Das sind ein paar sehr schöne Bücher, Terri. Francie hat sie wirklich sehr sorgfältig behandelt. Und dieses hier, Früchte des Zorns , ist sogar eine Erstausgabe.«
»Ich dachte, dafür würde ich nicht viel bekommen. Der Umschlag ist zerrissen.«
»Der Schutzumschlag ist an ein oder zwei Stellen eingerissen, aber sonst ist das Buch noch in sehr gutem Zustand. Wollen Sie mir nicht die Bücher für ein paar Tage dalassen, und dann rufe ich Sie an und schlage Ihnen einen Preis vor?«
»Gut. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir recht bald Bescheid sagen könnten, Mr Grogan. Richten Sie Doug bitte aus, dass meine Nadine nach ihm gefragt hat?«
»Ja, gerne.«
»Es ist schön, dass er wieder in der Stadt ist. Vielleicht bleibt er dieses Mal ja länger.«
»Könnte sein.« Roger trat hinter dem Tresen vor, um die Kundin zur Tür zu begleiten, doch sie entwischte ihm und trat auf Callie zu.
»Gehören Sie zu den Archäologen?«
Callie blickte sie erstaunt an. »Ja.«
»Sie kommen mir irgendwie bekannt vor.«
»Ich bin schon seit ein paar Wochen in der Stadt.«
Die Frau sah die Verletzung unter den Ponyfransen, hatte jedoch keine Idee, wie sie danach fragen konnte, ohne unhöflich zu erscheinen. »Mein Schwager hat diesen Schädel ausgegraben, mit dem alles angefangen hat.«
»Im Ernst? Das muss ja ein aufregender Moment für ihn gewesen sein.«
»Es hat ihn seinen Job gekostet. Meinen Mann übrigens auch.«
»Oh, das
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