Die falsche Tochter - Roman
ist schlimm. Es tut mir Leid.«
»Manche Leute glauben, das Gelände sei verflucht, weil Sie die Ruhe der Toten stören.«
»Die Leute sehen eben zu viele schlechte Horrorfilme.«
Terri kräuselte missbilligend die Lippen, hatte sich aber rasch wieder unter Kontrolle. »Na ja, immerhin ist Ronald Dolan tot. Und das ist eine schreckliche Sache.«
»Ja, nicht wahr? Es hat uns alle erschüttert. Ich habe noch nie jemanden gekannt, der ermordet worden ist. Sie?«
»Nein, das nicht. Aber mein Enkel geht drei Mal in der Woche mit dem kleinen Campbell in die Vorschule. Dessen Daddy ist bei einem Raubüberfall auf einen Lebensmittelladen in Baltimore erschossen worden. Der arme kleine Kerl. Da kommt man doch ins Grübeln, oder nicht? Man weiß eben nie.«
Callie fiel auf, dass sie noch nie mit Lana darüber gesprochen hatte, wie ihr Mann ums Leben gekommen war. »Ja, da haben Sie Recht.«
»Na ja, ich muss weiter. Vielleicht komme ich mal mit unserem Petey vorbei, um ihm zu zeigen, wo Sie da graben. Ein paar von den anderen Kindern waren schon da.«
»Tun Sie das. Wir freuen uns immer, wenn wir das Gelände zeigen und erklären können, was wir tun und wie wir es tun.«
»Sie kommen mir wirklich bekannt vor«, sagte Terri nachdenklich. »Es hat mich jedenfalls gefreut, Sie kennen zu lernen. Also, Mr Grogan, ich warte dann auf Ihren Anruf.«
»In ein oder zwei Tagen, Terri. Meine besten Grüße an Pete.«
Roger wartete, bis sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte. »Du bist sehr geschickt mit ihr umgegangen«, sagte er dann.
»Es gehört zu meinem Job, freundliche Beziehungen zu den Einheimischen herzustellen. Und?«, fragte Callie und wies auf den Pappkarton und die Bücher, die auf dem Tresen lagen. »Ist etwas Spektakuläres dabei?«
»Der Steinbeck ist nicht schlecht, aber den Rest muss ich mir erst einmal anschauen. Wenn du nichts dagegen hast, hänge ich das ›Geschlossen‹-Schild an die Tür.«
»Ja, klar.«
Sie steckte die Hände in die hinteren Taschen ihrer Jeans,
während Roger zur Tür ging und abschloss. »Doug hat mich gebeten, vorbeizukommen. Ich hatte viel zu tun in der letzten Zeit.«
»Das ist alles nicht leicht für dich, nicht wahr?«
»Ja, allerdings.«
»Sollen wir ins Hinterzimmer gehen und einen Kaffee trinken ?«
»Ja, danke.«
Roger starrte sie nicht an und machte auch keine Anstalten, ihre Hand zu ergreifen. Er wirkte kein bisschen nervös. Sein Verhalten beruhigte Callie, und erleichtert folgte sie ihm ins Hinterzimmer.
»Das ist ein hübscher Raum, und so gemütlich. Ich habe mir Bibliophile immer als chaotische Fanatiker vorgestellt, die ihre Bücher in verschlossenen Vitrinen aufbewahren.«
»Und ich habe immer geglaubt, Archäologen seien stramme junge Männer mit Schutzhelmen, die Pyramiden erforschen.«
»Wer sagt denn, dass ich keinen Schutzhelm habe?«, entgegnete Callie und brachte ihn damit zum Lachen.
»Ich hatte schon überlegt, ob ich zum Antietam Creek kommen soll, um deine Arbeit und vor allem auch dich zu sehen. Aber ich wollte dich nicht … bedrängen. Im Moment stürmt sicher vieles auf einmal auf dich ein, und ich habe mir gedacht, dass ein zusätzlicher Großvater noch ein Weilchen warten könnte.«
»Doug hat gesagt, ich würde Sie mögen. Ich glaube, er hat Recht.«
Roger schenkte ihr Kaffee ein und brachte die Tasse zu dem winzigen Tisch.
»Wie hast du dich am Kopf verletzt?«
Callie zupfte an ihren Ponyfransen. Einen Augenblick lang spielte sie mit dem Gedanken, Roger irgendeine harmlose Geschichte aufzutischen, doch dann entschloss sie sich, ihm die Wahrheit zu erzählen.
»Mein Güte, das ist ja Wahnsinn«, sagte er, als sie ihren Bericht beendet hatte. »Was hat der Sheriff gesagt?«
»Hewitt?« Sie zuckte mit den Schultern. »Was Polizisten immer sagen. Sie werden den Fall untersuchen. Er wird mit zwei Typen reden, die Jake und mich schon einmal bedroht und mein Auto mit Obszönitäten besprüht haben.«
»Wer war das?«
»Zwei Idioten namens Austin und Jimmy. Ein Großer und ein Kleiner. Die Dorfausgabe von Laurel und Hardy.«
»Austin Seldon und Jimmy Duke?« Roger schüttelte den Kopf und schob seine Brille hoch, die ihm immer wieder auf die Nasenspitze rutschte. »Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Sie mögen ja nicht die Hellsten sein, aber keiner von beiden würde auf einen Mann schießen oder eine Frau angreifen. Ich kenne sie, seit sie auf der Welt sind.«
»Sie wollen, dass wir verschwinden. Und mit dieser Meinung
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