Die falsche Tochter - Roman
»Aber als ich vor zwei Wochen mit ihnen gesprochen habe, haben sie nichts von einer Reise erwähnt.«
»Es war eine spontane Idee«, erklärte die Frau. »Wie, sagten Sie noch einmal, ist Ihr Name?«
»Oh, Entschuldigung.« Callie streckte die Hand aus. Wir sind die Bradys, Mike und Carol. Wir wollen Sie nicht belästigen, Mrs …«
»Fissel. Nein, Sie belästigen mich nicht. Habe ich Sie vor einer Weile nicht schon einmal bei den Simpsons gesehen?«
»Ja, im Frühsommer. Wir sind gerade erst wieder in den Osten gezogen. Es ist so nett, alte Freunde wieder zu treffen. Sie sagten, es sei eine spontane Idee gewesen? Es war doch kein Notfall, oder? Oh, Mike, ich hoffe, dass …« – wie zum Teufel hieß die Tochter der Simpsons noch einmal? – »Angela nichts passiert ist.«
»Nein, da ist wohl alles in Ordnung.« Mrs Fissel trat vor die Tür. »Ich habe zufällig gesehen, wie die beiden ihr Gepäck in die Autos einluden, als ich morgens die Zeitung hereingeholt habe. Also ging ich hin und fragte, ob irgendetwas nicht in Ordnung sei. Dr. Simpson erwiderte, sie hätten beschlossen, für ein paar Wochen in ihr Haus in die Hamptons zu fahren. Es kam mir seltsam vor, dass sie mit beiden Autos fuhren, aber er meinte, Barbara wolle ihr eigenes dort haben. Sie haben so viel Gepäck mitgenommen, dass es für ein Jahr reichen würde, wenn Sie mich fragen. Aber Barbara liebt ihre Kleider. Es sieht ihr gar nicht ähnlich zu vergessen, dass Sie kommen wollten. Ihr entgeht sonst nie etwas.«
»Wir haben wahrscheinlich etwas durcheinander gebracht. Die beiden haben nicht zufällig gesagt, wann sie wieder zurückkommen?«
»Wie ich schon sagte, sie wollten ein paar Wochen fortbleiben. Er ist pensioniert, wie Sie ja wissen, und sie arbeitet nicht, also haben sie jede Menge Zeit. Sie haben ungefähr gegen zehn Uhr morgens eingeladen – und dabei steht Barbara sonntags sonst nie vor zwölf Uhr auf. Anscheinend hatten sie es sehr eilig, fortzukommen.«
»Nun ja, es ist ein weiter Weg bis in die Hamptons«, sagte Callie. »Vielen Dank, Mrs Fissel. Wir müssen wohl später noch einmal versuchen, sie zu erreichen.«
»Mike und Carol Brady«, sagte Jake leise, als sie wieder auf der Straße standen. »Wie die Fernsehfamilie?«
»Das war das Erste, was mir eingefallen ist. Die Frau war viel zu alt, als dass sie es damals im Fernsehen gesehen hat, und sie kam mir auch nicht unbedingt so vor, als würde sie sich gern Nick at Night anschauen. Verdammt, Jake.«
»Ich weiß.« Er zog ihre Hand an seine Lippen und küsste sie auf die Knöchel.
»Glaubst du, sie sind wirklich in die Hamptons gefahren?«, fragte Callie.
»Sie mögen es ja eilig gehabt haben, aber sie sind bestimmt nicht so blöd, der größten Tratschtante der ganzen Siedlung auf die Nase zu binden, wo sie hinfahren.«
»Das glaube ich auch. Und ich glaube auch, dass sie nicht zurückkommen werden.«
»Irgendwo müssen sie ja hingefahren sein, und wo auch immer das sein mag, sie haben sicher irgendeine Spur hinterlassen. Wir werden sie finden«, sagte Jake.
Callie nickte nur und starrte frustriert auf das leere Haus. »Na komm, Carol, lass uns Alice und die Kinder holen und nach Hause fahren.«
»Okay«, murmelte sie. Wenn sie das Ganze durchstehen wollte – und dazu war sie fest entschlossen –, dann musste sie sich beherrschen und ihren klaren Blick bewahren. »Sag mal, fandest du Carol Brady eigentlich scharf?«, fragte sie Jake grinsend.
»Oh Mann, machst du Witze? Sie hat geraucht !«
TEIL III
Der Fund
Wenn du das Unmögliche eliminiert hast, muss das,
was übrig bleibt, wie unwahrscheinlich es auch sein mag,
die Wahrheit sein.
SIR ARTHUR CONAN DOYLE
20
»Du hast das Richtige getan.«
Lana stand mit Callie am Ufer des Baches, der an dem Haus vorbeifloss, und klimperte mit ihrem Autoschlüssel. Sie konnte sich kaum aufraffen, endlich zu fahren, obwohl sie Rogers Hilfe an diesem Tag schon viel zu lange in Anspruch genommen hatte.
Es war für alle frustrierend, dass die Simpsons ihnen entwischt waren. Callie musste sich eingestehen, dass sie sich insgeheim auf einen Showdown gefreut hatte, und jetzt war sie enttäuscht, dass das Zusammensetzen der einzelnen Puzzleteilchen dem Sheriff überlassen bliebe. Sie hatten ihn umgehend aufgesucht, nachdem sie wieder in Maryland eingetroffen waren. Es musste doch irgendetwas geben, das sie selbst noch tun konnte.
»Hewitt wirkte nicht besonders beeindruckt von unseren detektivischen
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