Die falsche Tochter - Roman
machte es sich in einem anderen Sessel gemütlich. »Man hat sie gestern gefasst, und sie verhalten sich bereits äußerst kooperativ. Sie haben Sie bereits beschuldigt. Wir sind nur hier, weil Doug sich gerne mit Ihnen unterhalten wollte, bevor Sie
verhört werden. Sie sind nicht schnell genug gewesen, Dorothy. Sie hätten abhauen sollen.«
»Dieser Idiot Simpson und seine Frau können erzählen, was sie wollen. Es wird nicht ausreichen, um mich vor Gericht zu stellen.«
»Vielleicht nicht. Sagen Sie mir einfach nur den Grund«, warf Doug ein. »Warum haben Sie meine Schwester entführt?«
»Ich habe niemanden entführt, das hat immer Barbara getan. Es gab natürlich auch noch andere Beteiligte.« Dorothy holte tief Luft. »Und wenn es nötig sein sollte, werde ich zu meinen eigenen Gunsten auch Namen nennen.«
»Warum sind überhaupt Babys gestohlen worden?«
»Ich will meine Tochter noch einmal anrufen.«
»Beantworten Sie unsere Fragen, dann geben wir Ihnen auch das Telefon.« Lana legte das Gerät in ihren Schoß und faltete die Hände darüber. »Wir sind nicht von der Polizei, und Sie wissen ganz genau, dass nichts von dem, was Sie uns erzählen, gegen Sie verwendet werden kann.«
Dorothy blickte auf das Telefon, und Lana sah ihr an, dass sie Angst um ihre Tochter hatte.
»Warum hat Carlyle es getan?«, drängte Doug. »Ich will doch nur wissen, warum er es getan hat.«
»Es war Marcus’ Mission — und ein äußerst einträgliches Hobby.«
»Ein Hobby«, flüsterte Lana.
»So sah er es. Es gab so viele wohlhabende Ehepaare, die keine Kinder bekommen konnten, und so viele andere bekamen ein Kind nach dem anderen und konnten sich finanziell kaum über Wasser halten. Marcus fand, dass ein Kind pro Familie genug sei. Die legalen Adoptionsverfahren, die er in die Wege leitete, zogen sich immer furchtbar in die Länge. Und durch sein Vorgehen wurde das Verfahren beschleunigt.«
»Und die Unsummen, die er mit dem Verkauf von Kindern verdiente, tauchten nie in den Büchern auf.«
Dorothy warf Lana einen gelangweilten Blick zu. »Aber
natürlich. Marcus war ein äußerst raffinierter Geschäftsmann. Warum war Ihren Eltern denn ein Kind nicht genug?«, fuhr sie, an Doug gewandt, fort. »Das zweite hätten sie doch ohne weiteres einem wohlhabenden Paar überlassen können, das sich verzweifelt ein Kind wünschte. Für uns war vor allem wichtig, dass es sich um liebevolle Menschen in einer stabilen Beziehung handelte.«
»Sie haben den Kindern keine Wahl gelassen.«
»Sehen Sie es doch einmal so: Wenn Ihre Schwester heute vor die Wahl gestellt würde — für wen würde sie sich wohl entscheiden? Für die Menschen, die sie gezeugt haben, oder für die Eltern, die sie großgezogen haben?« Voller Überzeugung fuhr Dorothy fort: »Sie sollten gründlich darüber nachdenken, bevor Sie in dieser Angelegenheit weiterbohren. Wenn Sie jetzt einfach gehen, braucht niemand sonst von alldem zu erfahren. Andernfalls werden Sie dafür verantwortlich sein, dass etliche Familien auseinander gerissen werden. Und das nur, damit Sie Ihre Genugtuung haben.«
»Genauso viele Familien wurden damals auseinander gerissen«, erwiderte Lana und stand auf. »Und das nur, weil Marcus Carlyle sich dadurch bereichern wollte, dass er Gott spielte.«
Sie reichte Doug das Telefon. »Ruf die Polizei an.«
»Meine Tochter!« Dorothy sprang auf. »Sie haben gesagt, ich könne meine Tochter anrufen.«
»Das war eine Lüge«, sagte Lana. Es war ihr eine persönliche Befriedigung, die Frau wieder in den Sessel zu drücken.
28
Ein paar hundert Meilen entfernt kletterte Callie bereits aus ihrer Grube, noch bevor sie ihr Handy ausgeschaltet hatte. Die Wut verlieh ihr Flügel, als sie auf Dory zuschoss, die bereits eilig in Richtung der Autos floh, die am Rand des Grabungsfeldes geparkt waren. Digger schrie unwillkürlich auf, als Callie sein Segment umrundete und über den daneben aufgeworfenen Erdhügel sprang. Sein Schrei veranlasste Dory, sich umzusehen. Die beiden Frauen starrten sich eine Sekunde lang an, dann rannte Dory weiter. In Callies Ohren rauschte es, weshalb sie die Geräusche ringsum, das Lachen, die Musik, die Gesprächsfetzen, nur wie durch einen Nebel wahrnahm. Sie konzentrierte sich nur auf ihr Ziel – Dory einzuholen. Callie sah, dass Dory auf Bob zurannte, der mit einem Klemmbrett in der Hand und dem Kopfhörer seines Walkmans auf den Ohren ihren Weg kreuzte. Dory rannte ihn einfach über den Haufen, und er lag
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