Die falsche Tochter - Roman
Tag in der Kanzlei ist und danach noch zwei Stunden lang zu Hause arbeiten muss. Zufrieden?«
»Ja. Ja, natürlich.« Callie trat ans Fenster. »Wenn ich Sie engagieren würde, blieben unsere Gespräche doch absolut vertraulich, nicht wahr?«
»Natürlich.« Lana fiel auf, welch ungeheure Energie Callie ausstrahlte. Ob es wohl anstrengend war, ständig so auf Hochtouren zu laufen?
Lana zog eine Schublade auf und holte einen Notizblock heraus. »Ob Sie mich nun engagieren oder nicht, alles, was Sie mir hier erzählen, ist vertraulich. Also fangen Sie am besten
einfach einmal an, damit wir entscheiden können, wie es weitergehen soll.«
»Ich suche einen Anwalt.«
»Sieht so aus, als hätten sie ihn gefunden.«
»Nein, so meinte ich es nicht. Ich suche einen bestimmten Anwalt, Marcus Carlyle. Er hat zwischen 1968 und 1979 in Boston praktiziert.« So viel hatte Callie schon herausgefunden.
»Und nach 1979?«
»Da hat er die Kanzlei geschlossen. Mehr weiß ich nicht, bis auf die Tatsache, dass er sich auch mit privaten Adoptionen befasst hat.«
Callie holte eine Mappe aus ihrer Tasche, zog ihre Adoptionspapiere heraus und legte sie vor Lana auf den Schreibtisch. »Ich möchte auch, dass Sie diese Papiere prüfen.«
Lana überflog das Schriftstück und blickte auf. »Ich verstehe. Versuchen Sie, Ihre leiblichen Eltern zu finden?«
»Nein.«
»Callie, wenn ich Ihnen helfen soll, müssen Sie mir vertrauen. Ich kann Carlyle suchen lassen. Ich kann, mit Ihrer schriftlichen Zustimmung, versuchen, die Geheimhaltungspflicht bei Adoptionen in den siebziger Jahren zu umgehen, damit Sie etwas über Ihre leibliche Familie erfahren. Wenn Sie sich jedoch entschließen würden, mir mehr Informationen zu geben, könnte ich schneller und effizienter für Sie arbeiten.«
»Ich bin noch nicht in der Lage, Ihnen mehr zu sagen. Ich möchte, dass Sie so viel wie möglich über Carlyle herausfinden, am besten auch, wo er sich gerade befindet. Außerdem möchte ich alles über den Hergang dieser Adoption wissen. In anderen Bereichen werde ich selbst nachforschen. Wenn wir die ersten Antworten haben, werden wir sehen, ob wir noch weiter gehen müssen. Möchten Sie einen Vorschuss?«
»Ja. Für den Anfang reichen fünfhundert.«
Jake fuhr nach Woodsboro hinein, um im Eisenwarenladen ein paar Werkzeuge zu besorgen. Den ganzen Tag lang war er
schon versucht gewesen, Callie auf ihrem Handy anzurufen. Da er jedoch wusste, dass ein Gespräch wahrscheinlich in einem Streit enden würde, ersparte er sich die Kopfschmerzen. Wenn sie am nächsten Morgen immer noch nicht bei der Ausgrabung erschiene, konnten sie sich immer noch streiten. Callie wütend zu machen war eine todsichere Methode, um herauszufinden, was mit ihr los war.
Als er ihren Rover am Straßenrand vor der Bücherei stehen sah, fuhr er rechts heran. Er parkte genau vor ihrer Stoßstange, für den Fall, dass sie ihm weglaufen wollte, dann stieg er aus und schlenderte die Stufen zu dem alten Steingebäude hinauf. Am Schalter saß eine ältere Frau. Jake beugte sich zu ihr hinunter und lächelte sie charmant an.
»Guten Tag, Ma’am. Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie störe, aber ich habe draußen vor der Tür den Wagen meiner Partnerin gesehen. Ich bin Jacob Graystone vom Antietam-Creek-Projekt.«
»Ich habe Sie erkannt. Sie sind einer der Wissenschaftler. Ich habe meinem Enkel versprochen, mit ihm zur Ausgrabung zu gehen, damit er sich anschauen kann, was Sie dort machen. Wir sind schon ganz aufgeregt.«
»Wir auch. Wie alt ist Ihr Enkel?«
»Er ist zehn.«
»Es wird mir eine Freude sein, Sie über das Gelände zu führen, wenn Sie uns besuchen kommen.«
»Das ist sehr nett von Ihnen.«
»Wir möchten die Funde nicht nur dokumentieren, sondern die Menschen an unseren Erkenntnissen teilhaben lassen. Können Sie mir sagen, ob Dr. Dunbrook in der Bibliothek ist? Callie Dunbrook. Eine sehr attraktive blonde Frau, ungefähr so groß.«
Er hob die Hand bis zur Schulter, und die Frau nickte. »Ja, sie ist da hinten, im Archiv.«
»Danke.« Jake zwinkerte der Frau zu und eilte in die angegebene Richtung.
Soweit er sehen konnte, war die Bibliothek leer, bis auf Callie,
die an einem Tisch saß und Mikrofiches las. Sie hatte die Beine auf dem Stuhl untergeschlagen, woran er erkannte, dass sie schon eine ganze Weile hier sitzen musste. Immer wenn sie länger als zwanzig Minuten am Schreibtisch arbeiten musste, setzte sie sich so hin. Jake trat hinter sie und blickte
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