Die falsche Tochter - Roman
wir haben uns darauf geeinigt, dass ich rede.«
»Darauf haben wir uns keineswegs geeinigt. Ich habe nur gesagt, dass du immer redest.« Jake bog in die Einfahrt ein und stellte den Motor ab. »Wo würdest du denn gerne leben, wenn du es dir aussuchen könntest?«
»Ganz bestimmt nicht hier. Jake, ich muss das jetzt erst einmal alles in den Griff bekommen.«
»Ja, ich weiß.« Er stieg aus dem Auto. »Ich stelle mir irgendein riesiges, heruntergekommenes Haus auf dem Land vor. Eines, das Geschichte und Charakter atmet, das du herrichten könntest, um ihm deinen Stempel aufzudrücken.«
»Wovon redest du eigentlich?«
»Von dem Haus, das ich kaufen würde, wenn ich eins kaufen würde.«
»Man dürfte nicht einfach loslegen mit dem Renovieren.« Callie zog eine Bürste aus ihrer Tasche und fuhr sich kurz über die Haare. »Zuerst müsste man alles über die Geschichte und den Charakter des Hauses herausbekommen, damit man
es auch wirklich respektiert. Und es müssten Bäume da sein. Richtige Bäume«, fügte sie hinzu, während sie den weiß gepflasterten Pfad zu dem weiß gestrichenen Haus entlanggingen. »Nicht solche komischen Büsche wie diese hier.«
»Bäume mit dicken Ästen, an die man eine Schaukel hängen kann.«
»Genau.« Sie blickte ihn stirnrunzelnd an. Über dieses Thema hatten sie noch nie zuvor geredet.
»Was ist?«
»Nichts.« Sie zuckte die Achseln. »Nichts. Okay, los geht’s.« Sie läutete und lauschte dem Dreiklang, der im Innern des Hauses ertönte. Als sie die Hand sinken ließ, ergriff Jake sie.
»Was soll das?«
»Ich will dir nur beistehen.«
»Nun … stell dich da drüben hin und steh mir bei.« Sie gab ihm einen Klaps auf den Handrücken. »Du machst mich nervös.«
»Du willst mich immer noch, nicht wahr?«
»Ja, ich will dich immer noch. Ich will, dass du Marshmallows in der Hölle röstest. Lass meine Hand los, bevor ich …«
Sie brach ab, als die Tür geöffnet wurde. Vor ihnen stand eine Frau im mittleren Alter, die erstaunlich jugendlich wirkte. Ihr glänzendes kastanienbraunes Haar schmiegte sich in einem weichen Kurzhaarschnitt um ihr Gesicht. Sie trug eine enge Dreiviertelhose und eine lose fallende weiße Bluse. Aus ihren Riemchensandalen lugten lachsrosa lackierte Zehennägel heraus.
»Sie sind sicher Callie Dunbrook. Ich bin Barbara Simpson. Ich freue mich so, Sie kennen zu lernen.« Die Frau streckte die Hand aus. »Und Sie sind …«
»Das ist mein Partner, Jacob Graystone«, sagte Callie. »Es ist sehr freundlich von Ihnen und Dr. Simpson, dass Sie mich so kurzfristig empfangen.«
»Aber das ist doch überhaupt kein Problem. Kommen Sie doch bitte herein. Henry war ganz entzückt von der Idee, Sie kennen zu lernen, als ich ihn anrief. Er war beim Golf spielen
und macht sich gerade noch ein bisschen frisch. Kommen Sie, nehmen Sie doch bitte im Wohnzimmer Platz. Ich hole rasch ein paar Erfrischungen.«
»Ich möchte Ihnen keine Umstände machen, Mrs Simpson.«
»Aber davon kann gar keine Rede sein.« Barbara berührte kurz Callies Arm und wies auf die steingraue Ledercouch. »Bitte, setzen Sie sich doch. Ich bin gleich wieder da.«
Auf dem riesigen gläsernen Couchtisch stand eine Vase mit exotischen weißen Blüten. Auch der Kamin, der jetzt im Sommer mit Kerzen und Blumen gefüllt war, bestand aus weiß gestrichenen Ziegelsteinen. Callie vermutete, dass die schwarze Schleiflackanrichte an der Wand ein komplettes, modernes Mediencenter enthielt. Gegenüber dem Sofa standen zwei Sessel, ebenfalls aus Leder, aber leuchtend rot. Callies Arbeitsstiefel versanken in dem Teppichboden, der ein paar Nuancen heller war als das Sofa. Mit einigem Unbehagen musterte sie ein riesiges Keramikkaninchen, das in der Ecke auf dem Boden stand.
»Keine Kinder«, bemerkte Jake, als er sich in die Lederpolster sinken ließ. »Und auch keine Enkel mit klebrigen Fingern, die hier frei herumlaufen dürfen.«
»Dad hat gesagt, Simpson hätte eine Tochter aus erster Ehe. Und zwei Enkelkinder. Aber sie leben wohl weiter im Norden.« Vorsichtig hockte Callie sich auf die Sofakante. »Diese Barbara ist seine zweite Frau. Sie haben geheiratet, nachdem meine Eltern nach Philadelphia gezogen sind. Simpson zog damals nach Virginia, und daraufhin haben sie den Kontakt verloren.«
Jake legte Callie die Hand aufs Knie. »Dein Bein zittert«, sagte er sanft.
»Das stimmt doch gar nicht.« Sie hasste es, dabei ertappt zu werden.
Als Henry Simpson das Wohnzimmer betrat, stand Callie
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