Die Familie: Roman (German Edition)
ihm.
»Wer sagt das?«
Sie schlug ihm gegen den Arm.
»Wenn du mich noch mal haust, junge Frau, dann schlage ich dich zu Brei.«
»Mommy.«
»Sprich nicht so mit ihr, Wayne. Das ist nicht lustig.«
»Stimmt.«
»Sie soll mich nicht ständig hauen.«
»Und du solltest sie nicht mit Geistern ärgern.«
»Wieso ärgern?«
»Wenn du wirklich glauben würdest, Elisabeth Mordocks Geist könnte auf der anderen Seite der Höhle lauern, könnte man dich nicht mal mit Gewalt dahin schleppen. Du bist die größte Memme, die ich kenne.«
Wayne lachte. Sie hatte natürlich recht. »Tja«, sagte er, »es liegt auf der Hand, dass ich nicht mit der ersten Gruppe gehen und euch beide allein lassen kann. Wir werden die andere Seite früher oder später sowieso sehen.«
»Ich will aber nicht«, sagte Katie.
»Andernfalls werden wir mit Seilen oder so hochgezogen. Ich persönlich würde mein Glück lieber bei Elizabeths Geist versuchen, als fallen gelassen zu werden.«
»Verdammt, Wayne!«
»Ich schätze, du willst lieber hier beim Feuer bleiben.« Calvin setzte sich und tätschelte Mavis’ beachtlichen Hintern.
»Erzähl mir nicht, dass du gehen willst.«
»Ich hab nicht vor, dich hier zurückzulassen, das ist ja wohl klar. Sobald ich weg bin, würde der alte Schnösel auf die Idee kommen, deinen Hintern zu poppen.«
»Calvin!«
Er lachte.
»Das ist überhaupt nicht witzig.«
»Reg dich nicht auf. Es wird nicht passieren. Ich bin bei dir und pass auf dich auf. Außerdem ist sein Pimmel bestimmt so winzig, dass er ihn im Dunkeln nicht findet.«
»Warum hörst du nicht auf, ständig auf ihm rumzuhacken? Wirklich, Calvin, du benimmst dich manchmal wie ein Baby.«
»Was denn nun, Baby oder Chauvi?«
»Beides.«
»Es macht dir echt Spaß, einen Mann zu beleidigen. Nicht, dass ich es dir vorwerfen würde. So seid ihr Frauen eben. Kaum seid ihr verheiratet, verwandelt ihr euch in Kratzbürsten.«
Er sah, wie sich ihre Mundwinkel herunterzogen. Jetzt habe ich es verbockt, dachte er. »Zum Teufel«, sagte er, »nimm’s nicht persönlich.«
»Wie soll ich es denn sonst nehmen? Du hast mehr oder weniger gesagt, dass du mich lieber nicht hättest heiraten sollen.«
»So etwas habe ich nie gesagt, May. Du bist genau richtig, genau richtig.«
»Du hast mich eine Kratzbürste genannt.«
»Tja, du bist eine Kratzbürste. Aber wie gesagt, es ist nicht deine Schuld. Du bist eben eine Frau, und das gehört nun mal zur Ausstattung dazu. Der Ehering löst es aus.«
Nun weinte sie. Im Feuerschein sah Calvin glitzernde Tränen über ihre Wangen rollen.
»Ach, verdammt«, murmelte er. Er klemmte seinen Stock zwischen die Knie und legte den Arm um sie. »Es tut mir leid, Zuckerschnecke.«
»Das will ich hoffen.« Sie drückte ihn fest an sich. Er spürte, wie sein Stock sich bewegte. »Bist du das, Calvin?«
»Wenn ich gehe«, fragte Paula, »kommst du dann mit?«
Kyle verspürte eine innere Kälte. »Du willst doch nicht gehen, oder?«
»Mein Dad … Ich habe Angst, dass er verletzt wurde. Und selbst wenn es ihm gut geht, macht er sich bestimmt schreckliche Sorgen um mich. Ich muss einfach so schnell wie möglich hier raus.«
»Wenn dein Vater hier wäre«, sagte Kyle, »würde er garantiert wollen, dass du bleibst und auf Hilfe wartest.«
»Warum?«
»Weil er nicht wollen würde, dass du so ein Risiko eingehst. Es wird … richtig schlimm sein auf der anderen Seite.«
Er wünschte, er könnte ihr sagen, wie schlimm. Er wünschte, er könnte es Darcy sagen und ihr die Idee ausreden, die Mauer zu durchbrechen.
Zuerst, nachdem die Aufzüge abgestürzt waren, war Kyle verblüfft gewesen, dass es sich bei dem Problem nicht nur um einen Stromausfall handelte. Die ganze Anlage oben musste abgebrannt sein, das Hotel, das Touristenzentrum mit dem Andenkenladen und der Snackbar, sein eigenes Zimmer und – das war das Schlimmste – Zimmer 115.
Der Verlust von Zimmer 115 tat weh. Der Gedanke, dass es verschwunden war, ehe er es noch einmal hatte nutzen können.
Dad wird das Gebäude wieder aufbauen, sagte er sich. Er wird ein anderes Zimmer schaffen, das genauso ist wie 115. Es wird sich nichts ändern, und eines Tages werde ich das neue Hotel führen und aussuchen, wen ich dort hineinstecke.
Durch die Gedanken an den Wiederaufbau fühlte er sich viel besser, doch dann begann Darcy, von dem Ausweg durch das andere Ende der Höhle zu reden, und Kyle spürte eine Welle der Furcht, die seine Knie weich werden ließ, und
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