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Die Familie Willy Brandt (German Edition)

Die Familie Willy Brandt (German Edition)

Titel: Die Familie Willy Brandt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Körner
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genug. Und nun noch das. Der Junge merkt doch gar nicht, dass er von diesen Leuten nur gegen seinen Vater benutzt wird.« Nachdem Willy Brandt von seiner Auslandsreise zurückgekehrt ist, ruft er Peter in Berlin an, um zu erfahren, was es mit seiner Verhaftung und dem Interview auf sich hat. Peter bestreitet die persönliche Rücktrittsforderung, das sind nicht seine Sätze. Das versichert er auch seiner Mutter, die am nächsten Tag nach Berlin fliegt, um nach ihm zu sehen, ihm die väterlichen Bedenken und ihre Bekümmernisse nahezubringen. Der »Spiegel«-Artikel unter der Überschrift »Peter sitzt« machte nebenher auch deutlich, wie man die Brüder Peter und Lars in der Öffentlichkeit sah oder wie man sie für die Öffentlichkeit zu Antagonisten stilisierte, die sie nicht waren. Demnach war Lars der angepasste, der brav-folgsame Sohn, während Peter der unangepasste Rebell war. Lars wurde mit Sätzen zitiert, die aus ihm in den Augen der Öffentlichkeit unweigerlich den tückischen Musterknaben machen mussten, der nicht von der Seite des Vaters wich und ihm scheinbar Gefälligkeiten ins Ohr träufelte: »Vati ist doch immer so großzügig und tolerant zu uns«, oder über seinen Bruder: »Der wird bestimmt keine Ruhe geben.«
    Die beiden Demonstrationsdelikte werden 1968 vor dem Amtsgericht Tiergarten verhandelt. Peter lässt sich von dem umstrittenen APO-Anwalt Horst Mahler vertreten, nachdem ihm ein vom Vater vermittelter Anwalt allen Ernstes vorgeschlagen hatte, er solle erklären, in beiden Fällen zufällig in das Geschehen geraten zu sein. Er will freigesprochen und nach dem Erwachsenenstrafrecht behandelt werden, doch die Jugendrichterin sieht es als erwiesen an, »daß der geistige Entwicklungsstand dem sittlichen vorausgeeilt ist«, weshalb das Jugendstrafrecht zur Anwendung kommt. Der Vater Willy Brandt ärgert sich über diese verzopfte, herablassende Haltung und kommentiert die Urteilsbegründung der Richterin – ungewöhnlich genug – von Bonn aus öffentlich: »Wenn ein Richter die vermutete Protesthaltung eines Sohnes gegen seinen Vater als kindliche Unreife betrachtet, dann frage ich mich, wie wir bei solcher Weltfremdheit zu einem besseren Verständnis der Jugend kommen können.« Am 6. Juni wird Peter wegen »Auflaufs in zwei Fällen schuldig« gesprochen und ein »Dauerarrest von zwei Wochen« verhängt. In der Berufungsinstanz wird der Arrest in eine Geldstrafe umgewandelt. Im Rahmen einer allgemeinen Amnestie wird die Vorstrafe 1970 erlassen.

Lars und Peter Brandt, Berlin 1965. Sieht der Vater alles?
[Peter Brandt/Wolfgang Roth]
    Viele Jahre nach dem Attentat auf Dutschke, viele Jahre nach den sogenannten Osterunruhen 1968 und Jahre nach dem Tod von Rudi Dutschke, der am Heiligabend 1979 an den Spätfolgen des Mordanschlags stirbt, wird Peter Brandt gebeten, ein Erinnerungsbild des Studentenführers zu verfassen. Wer sich an andere erinnert, gräbt auch in sich selbst, wühlt auf und vermählt, verknüpft das Eigene mit dem Fremden. Die Passage über Dutschke in dem 1987 von Peter Bernhardi herausgegebenen Band kann auch als Selbstauskunft des Autors Brandt verstanden werden: »Neben der anrührenden menschlichen Wärme, die Rudi Dutschke ausstrahlte, habe ich vor allem sein Arbeitsethos bewundert. Obwohl ich selber auch nicht als faul gelte und schon mit vielen Fleißigen zu tun hatte, bin ich nie wieder jemandem begegnet, der so unermüdlich lernte wie er. Wann immer ich ihn im Bus oder auf der Straße traf: er kam gerade von einem Arbeitskreis und war unterwegs zu einem anderen – am Wochenende wie alltags. Sobald Rudi in ein öffentliches Verkehrsmittel einstieg, nahm er ein Buch und einen Bleistift in die Hand und richtete den Kopf erst wieder auf, unmittelbar bevor er ausstieg. Dabei war eben erkennbar, dass hier nicht in erster Linie persönlicher Ehrgeiz befriedigt, sondern einer tiefverwurzelten Überzeugung gedient wurde. Diese bleibenden Eindrücke empfing ich noch als Pennäler in einem Alter, in dem Ernsthaftigkeit im Umgang mit Menschen und Sachen sich erst langsam entwickelt; sie ergänzten hervorragend die bei den Falken gemachte Erfahrung des jugendlichen sozialistischen Gemeinschaftslebens.«
    Freunde im engeren Sinne des Wortes sind Peter Brandt und Rudi Dutschke nicht gewesen, doch Peter macht ihn zum Ethos- und Pathos-Paten seines eigenen Wissensdrangs. Nein, Vaterfigur war Dutschke nicht, aber doch Wegweisergenosse, Lieblingsaktivist, Wahrheits- und Wegsucher,

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